Rz. 338

Die Betriebsratswahl kann nichtig sein mit der Folge, dass eine wirksame Arbeitnehmervertretung nie bestanden hat und dass sämtliche durchgeführten Handlungen und Vereinbarungen ebenfalls ohne Wirkung sind. Eine solche Nichtigkeit, die jederzeit von jedem Betriebsangehörigen, der Gewerkschaft und dem Arbeitgeber geltend gemacht werden kann, führt zur rückwirkenden Feststellung, dass von Anfang an kein Gremium als im Amt befindlich anzusehen war. Die Nichtigkeit kann auch als Vorfrage bei anderen Streitigkeiten eingewandt und angenommen werden. Nichtigkeit ist allerdings nur in ganz besonderen Ausnahmefällen anzunehmen. Es muss gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl, gegen fundamentale Wahlgrundsätze in so hohem Maß verstoßen worden sein, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt. Voraussetzung ist daher sowohl ein offensichtlicher als auch ein besonders grober Verstoß gegen Wahlvorschriften (BAG v. 21.7.2004 – 7 ABR 57/03, juris; BAG v. 27.7.2011 – 7 ABR 61/10, juris; BAG v. 30.6.2021 – 7 ABR 24/20, juris).

 

Beispiele aus der Rechtsprechung

Systematisches Öffnen der Wahlumschläge durch den Wahlvorstand und Abgleich der Stimmzettel mit den schriftlichen Erklärungen durch den Wahlvorstand (und damit grobe Verletzung des Wahlgeheimnisses) begründet die Nichtigkeit (LAG Hessen v. 10.11.2011 – 9 TaBV 104/11, juris).

Tätigkeit eines weiteren Wahlvorstands nur für einen Betriebsteil, nachdem für den gesamten Betrieb inklusive dieses Betriebsteils bereits ein Wahlvorstand tätig war, mit der Begründung, die Bestellung dieses weiteren Wahlvorstands sei nichtig (LAG Hamm v. 16.5.2014 – 7 TaBVGa 17/14, juris: Dem Wahlvorstand wurde durch einstweilige Verfügung aufgegeben, alle weiteren Tätigkeiten zu unterlassen).

 

Rz. 339

 

Hinweis

Eine Ausnahme vom gesetzlich in § 19 BetrVG vorgesehenen Grundsatz, dass auch ein fehlerhaft gewählter Betriebsrat zunächst im Amt bleibt und die Geschäfte führen kann, weil im Fall der Anfechtung seine Befugnis erst mit Rechtskraft einer die Wahl für unwirksam erklärenden gerichtlichen Gestaltungsentscheidung endet, ist nur geboten, wenn bei der Wahl so grob und offensichtlich gegen Wahlvorschriften verstoßen wurde, dass auch nur von dem Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr gesprochen werden kann und dass dies jedem mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Dritten sofort ohne Weiteres erkennbar ist. Nur dann besitzt das auf diese Weise ins Amt berufene Gremium weder die Legitimation zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben, noch können die Betriebspartner und die Belegschaft darauf vertrauen, dass ein Betriebsrat besteht, der rechtswirksam betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben wahrnehmen kann. Diese Voraussetzungen sind bei vielen verschiedenen Verstößen, von denen keiner die oben angeführte Voraussetzung erfüllt, die aber jeder für sich die Anfechtung berechtigen, nicht erfüllt. Eine Vielzahl von Verstößen kann auch nicht über eine Gesamtwürdigung zur Nichtigkeit führen (BAG v. 19.11.2003 – 7 ABR 24/03 unter Aufgabe der früheren Rspr., juris).

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