Rz. 15

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besitzt ein betroffener Anwohner einen Rechtsanspruch auf Abwehr seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch planunabhängige Maßnahmen, insbesondere ein Verbot des LKW-Durchgangsverkehrs im innerstädtischen Bereich.[28] Denn die in § 45 Abs. 1 BImSchG enthaltene Verpflichtung der Behörden, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um eine Überschreitung der in der 22. BImSchV festgelegten Grenzwerte einzuhalten, ist umfassend zu verstehen. Sie ist nicht auf die im BImSchG vorgesehenen Maßnahmen beschränkt, sondern umfasst auch planunabhängige Maßnahmen, also verkehrslenkende/verkehrsbeschränkende Maßnahmen auf Grundlage des Straßenverkehrsrechts (§ 45 StVO). Damit hat ein Betroffener auch dann, wenn ein Luftreinhalteplan oder ein Aktionsplan nicht besteht, Anspruch auf behördliches Tätigwerden. Allerdings ist dieser Anspruch durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt, unverhältnismäßige oder aus anderem Grund rechtswidrige Maßnahmen darf die Behörde nicht ergreifen. Dabei ist der Verursacheranteil zu beachten. Bei der Auswahl unter mehreren geeigneten Maßnahmen verfügt die Behörde über einen Gestaltungsspielraum, der einen Anspruch des betroffenen Einzelnen auf Ergreifen einer bestimmten Maßnahme in der Regel ausschließt.[29] Die gerichtliche Kontrolle dieser Ermessensentscheidung ist darauf beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens eingehalten und ob sie von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 114 S. 1 VwGO).[30] Ein etwaiger Anspruch auf Durchführung planunabhängiger Maßnahmen besteht nur im Rahmen der Zuständigkeit der angegangenen Behörde. Diese ist auch nicht verpflichtet, an andere Stellen heranzutreten, um diese zu veranlassen, in deren Zuständigkeit liegende Maßnahmen zu ergreifen. Es ist vielmehr Sache des Betroffenen, sich an die jeweils zuständige Stelle zu wenden.[31]

 

Rz. 16

Der betroffene Anwohner hat auch einen Anspruch auf Aufstellung eines Aktionsplans.[32] Die Planbehörde hat regelmäßig auch die Wirksamkeit ihrer Aktionsplanmaßnahmen zu überprüfen und gegebenenfalls weitere Aktionsplanmaßnahmen festzulegen, falls die bereits durchgeführten Maßnahmen noch nicht ausreichend sind, um die in § 47 Abs. 2 BImSchG festgelegten Ziele zu erreichen. Damit korrespondiert ein entsprechender Anspruch von Bewohnern des Plangebiets, die von Grenzwertüberschreitungen und damit einhergehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen betroffen sind.[33]

 

Rz. 17

Aber auch anerkannte Umweltverbände können Luftreinhaltepläne einklagen.[34] Denn der Europäische Gerichtshof geht davon aus, dass unmittelbar betroffenen juristischen Personen in gleicher Weise wie natürlichen Personen ein Klagerecht zusteht.[35] Zu den unmittelbar betroffenen juristischen Personen, denen durch § 47 Abs. 1 BImSchG ein Klagerecht eingeräumt ist, gehören auch die nach § 3 UmwRG anerkannten Umweltverbände.[36]

[28] BVerwG v. 27.9.2008, DAR 2008, 163.
[29] BVerwG, Urt. v. 27.9.2007 – 7 C 36/07, BVerwGE 129, 296; a.A. noch BayVGH v. 30.6.2005, DAR 2005, 469; v. 18.5.2006, DAR 2006, 412, Ls.; VG München v. 27.4.2005, DAR 2005, 412.
[30] OVG NRW, Urt. v. 9.10.2012 – 8 A 652/09, juris Rn 77 = UPR 2013, 349.
[31] OVG NRW, Urt. v. 9.10.2012 – 8 A 652/09, juris Rn 64 = UPR 2013, 349.
[32] EuGH v. 25.7.2008 – C-237/07, "Janecek", NVwZ 2008, 984.
[33] VG Stuttgart v. 14.8.2009 – 13 K 511/09; Kugler, NVwZ 2010, 279/283.
[34] BVerwG, Urt. v. 5.9.2013 – 7 C 21/12, BVerwGE 147, 312 Rn 38; VG München, Urt. v. 9.10.2012 – M 1 K 12.1046, juris Rn 22 ff. = ZUR 2012, 699.
[35] EuGH, Urt. v. 25.7.2008 – C-237/07, "Janecek", Rn 39.

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