Rz. 345

Die Vorschrift des § 244 Abs. 4 StPO bezieht sich auf die Vernehmung von Sachverständigen und bietet dafür weitere Ablehnungsgründe. Das bedeutet, dass die Vernehmung eines Sachverständigen aus den Gründen des § 244 Abs. 3 StPO sowie aus denen des § 244 Abs. 4 StPO abgelehnt werden kann. § 244 Abs. 4 StPO differenziert dabei zwischen Gründen für jeden Sachverständigen, S. 1 sowie Gründen für einen weiteren Sachverständigen, S. 2.

Die Vernehmung eines Sachverständigen kann abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt, § 244 Abs. 4 S. 1 StPO. Woher der Richter die eigene Sachkunde besitzt, ist unbeachtlich. Die Sachkunde muss aber das Fachgebiet betreffen, das zur Beurteilung der Beweisbehauptung erforderlich ist. Auch hier gilt, dass bei Kollegialgerichten nur ein Richter die besondere Sachkunde besitzen muss, sofern er diese weitervermitteln kann. Es ist herrschende Meinung, dass sich das Gericht in Schuldfähigkeits- und Glaubwürdigkeitsfragen eigene Sachkunde zuschreiben kann, soweit nicht tatsächliche Anhaltspunkte für Abweichungen vom psychischen Normalfall vorliegen.[177]
Die Vernehmung eines weiteren Sachverständigen kann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist, § 244 Abs. 4 S. 2 Hs. 1 StPO. "Weiterer" Sachverständiger meint nicht zwingend einen Angehörigen der Fachrichtung des ersten Gutachters. Wichtig ist dabei, dass das Kausalverhältnis zu erkennen ist, denn das Gegenteil der behaupteten Tatsache muss gerade durch das erste Gutachten erwiesen sein. Der Rückgriff auf andere Beweismittel zur Begründung des Erwiesenseins ist unzulässig. Das Gericht kann einen weiteren Sachverständigen auch dann ablehnen, wenn es dem ersten Gutachter im Ergebnis nicht folgt.[178]
 

Rz. 346

Das Erwiesensein der behaupteten Tatsache ist gem. § 244 Abs. 4 S. 2 Hs. 2 StPO dann kein Ablehnungsgrund, wenn

die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist;
das frühere Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht;
das frühere Gutachten Widersprüche enthält;
der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen des früheren Gutachters überlegen erscheinen.

Die Ausnahmen vom Ablehnungsgrund sind abschließend, so dass sich der Verteidiger nicht auf die persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, die größere Berufserfahrung oder den größeren Umfang des zur Verfügung stehenden Beobachtungsmaterials des weiteren Gutachters berufen kann. Im Einzelfall kann die Aufklärungspflicht des Gerichts allerdings die Hinzuziehung eines weiteren Sachverständigen gebieten, obwohl ein Beweisantrag nach § 244 Abs. 4 S. 2 StPO abgelehnt werden könnte.[179]

[177] Vgl. Pfeiffer, § 244 StPO Rn 42; Meyer-Goßner/Schmitt, § 244 StPO Rn 74 f.
[178] Vgl. BGHSt 39, 49; Meyer-Goßner/Schmitt, § 244 StPO Rn 75.
[179] Vgl. Pfeiffer, § 244 StPO Rn 45; BGHSt 23, 187; Meyer-Goßner/Schmitt, § 244 StPO Rn 77.

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