Rz. 344

Ein Beweisantrag, der sich nicht auf die Vernehmung eines Sachverständigen bezieht, kann nur aus den in § 244 Abs. 3 StPO abschließend aufgeführten Gründen abgelehnt werden. Das Ausweichen auf einen anderen Grund ist unzulässig. Versucht man, das im § 244 Abs. 3 StPO Angeführte allgemein zusammenzufassen, lässt sich sagen, dass ein Beweisantrag nicht abgelehnt werden darf, wenn die in ihm genannten Beweismittel zulässig, von Bedeutung, geeignet und erreichbar sind:

Die Erhebung des Beweises muss zulässig sein, § 244 Abs. 3 S. 2 StPO. Dies ist zu trennen von der Unzulässigkeit des Beweisantrages, also wenn ein Nichtberechtigter einen Beweisantrag bei Gericht stellt. Unzulässig ist der Beweisantrag, wenn er sich auf unzulässige Beweismittel oder auf unzulässige Beweisthemen bezieht.
Die Erhebung des Beweises darf nicht wegen Offenkundigkeit der zu beweisenden Tatsache überflüssig sein, § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 StPO. Die Offenkundigkeit bezieht sich dabei nicht nur auf die Beweistatsache, sondern auch auf ihr Gegenteil, die Gegenteilstatsache. Offenkundigkeit als Oberbegriff meint alles, was gerichts- und allgemeinkundig ist. Allgemeinkundig sind Tatsachen und Erfahrungssätze, von denen verständige Menschen regelmäßig ohne Weiteres Kenntnis haben oder über die sie sich aus allgemein zugänglichen Quellen unschwer unterrichten können. Gerichtskundig sind dagegen Tatsachen und Erfahrungssätze, die der Richter im Zusammenhang mit seiner amtlichen Tätigkeit zuverlässig erfahren hat. Dabei ist zu beachten, dass bei Kollegialgerichten die zu beweisende Tatsache nicht allen Richtern offenkundig sein muss. Es reicht das Wissen eines Richters, der sein Wissen vermitteln können muss.[171]
Die Erhebung des Beweises darf für die Entscheidung nicht ohne Bedeutung sein, § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 StPO. Eine Tatsache ist bedeutungslos, wenn ein Zusammenhang zwischen ihr und der abzuurteilenden Tat nicht besteht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs nicht geeignet ist, die Entscheidung irgendwie zu beeinflussen. Dabei kann terminologisch zwischen rechtlicher und tatsächlicher Bedeutungslosigkeit unterschieden werden. Rechtlich bedeutungslos ist eine Tatsache, wenn eine Verurteilung schon aus anderen Gründen ausscheidet. Tatsächlich bedeutungslos sind Indiztatsachen, wenn zwischen ihnen und dem Gegenstand der Urteilsfindung kein Sachzusammenhang besteht oder sie trotzdem die Entscheidung nicht beeinflussen können, weil sie keinen zwingenden Schluss erlauben.[172]
Die Erhebung des Beweises ist abzulehnen, wenn die zu beweisende Tatsache bereits erwiesen ist, § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 3 StPO. Dabei geht das Gericht von der Richtigkeit der zu beweisenden Tatsache aus. Daraus folgt zwar die Ablehnung, doch darf das Urteil bzw. die Urteilsbegründung nicht im Widerspruch zur Unterstellung der Tatsache als erwiesen stehen.[173]
Die Erhebung des Beweises ist abzulehnen, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet ist, § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 4 StPO. Ungeeignet ist ein Beweismittel, dessen Verwendung einen Erfolg der Beweiserhebung als von vornherein ausgeschlossen erscheinen lässt. Dabei reicht eine nur relative Ungeeignetheit des Beweismittels nicht aus, so dass ein geminderter, geringer oder zweifelhafter Beweiswert nicht mit der Ungeeignetheit gleichgesetzt werden darf. Es wäre aber eine verbotene vorweggenommene Beweiswürdigung, wenn das Gericht mit der Behauptung, der Zeuge oder Sachverständige werde die Beweisbehauptung nicht bestätigen, den Beweisantrag als ungeeignet zurückweist.[174]
Die Erhebung eines Beweises ist abzulehnen, wenn das Beweismittel unerreichbar ist, § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 5 StPO. Ein Beweismittel ist unerreichbar, wenn alle seiner Bedeutung und seinem Wert entsprechenden Bemühungen des Gerichts, es beizubringen, erfolglos geblieben sind und keine begründete Aussicht besteht, es in absehbarer Zeit herbeizuschaffen. Für die Vernehmung ausländischer Zeugen ist auf § 244 Abs. 5 S. 2 StPO zu achten. Die bloße Möglichkeit, einen Zeugen kommissarisch vernehmen zu lassen, macht ihn nicht automatisch erreichbar. Allgemeiner Meinung entspricht es auch, dass rechtliche Hinderungsgründe wie etwa ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO die Beweiserhebung vielleicht unzulässig, das Beweismittel aber nicht unerreichbar werden lassen. In diesem Zusammenhang gilt es aber auch § 247a StPO im Auge zu behalten, der die audiovisuelle Vernehmung von Zeugen sowie Sachverständigen ermöglicht. Zudem ist eine Vernehmung auch im Wege der Rechtshilfe möglich. Das Tatgericht entscheidet unter Berücksichtigung des Aufklärungsgebots, ob von dieser Möglichkeit im Einzelfall Gebrauch zu machen ist.[175]
Die Erhebung eines Beweises ist abzulehnen, wenn die zu beweisende, der Entlastung des Angeklagten dienende, erhebliche Behauptung so behandelt werden kann, als wäre sie wahr, § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 6 StPO. Zu beachten sind die Wirkungen, die die Wahrunterstellung mit sich bringt. Eine als wahr unterstellte Tatsache darf im Urt...

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