Entscheidungsstichwort (Thema)

Strafzumessung. Ablehnung eines Beweisantrags. Wahrunterstellung. beweiserhebliche Tatsache. Marihuana. Rechtsfolgenausspruch. Nachtatverhalten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Ablehnungsgrund der Wahrunterstellung nach § 244 III 2 StPO gestattet nur die Ablehnung von Beweisanträgen für Tatsachen, die ausschließlich zugunsten des Angeklagten wirken sollen. Dies schließt die Wahrunterstellung von seitens der StA unter Beweis gestellten Tatsachen nicht aus, sofern auch diese ausschließlich für den Angekl. entlastend wirken.

2. Soweit § 244 III 2 StPO Wahrunterstellungen zulasten des Angekl. verbietet, handelt es sich um eine lediglich zugunsten des Angekl. wirkende Rechtsnorm i. S.v. § 339 StPO mit der Folge, dass jedenfalls die Rüge der Verletzung des § 244 III 2 durch die StA nicht mit dem Ziel erhoben werden darf, eine Urteilsaufhebung zum Nachteil des Angeklagten zu erreichen (u. a. Anschluss an BGH, Urt. v. 11.07.1984 - 2 StR 320/84 = NStZ 1984, 564). Dies schließt nicht aus, dass die StA das Verfahren mit anderer Angriffsrichtung, etwa wegen der Ablehnung desselben Beweisantrags aufgrund eines anderen Ablehnungsgrundes, rügen darf.

3. Die Ablehnung eines Beweisantrags wegen Wahrunterstellung beweiserheblicher Tatsachen schließt seine Ablehnung wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache aus (u. a. Anschluss an BGH, Beschl. v. 07.11.2002 - 3 StR 216/02 = NStZ 2004, 51 = StV 2003, 150 = StraFo 2003, 95 und BGH, Urt. v. 28.05.2003 - 2 StR 486/02 = BGH NStZ-RR 2003, 268). Das Tatgericht ist aber nicht gehalten, eine zuvor als entscheidungserheblich angesehene und daher als wahr unterstellte Tatsache - sei es aufgrund weiterer in der Hauptverhandlung gewonnener Erkenntnisse, sei es, weil es die Unerheblichkeit erst später erkannt hat - auch noch im Urteil als bedeutsam anzusehen und sie als solche in die Beweiswürdigung und in seine Abwägung einzustellen (u. a. Anschluss an BGH, Beschl. v. 27.03.2012 - 3 StR 31/12 = StraFo 2012, 230 und BGH, Beschl. v. 24.02.2009 - 5 StR 605/08 = NStZ-RR 2009, 179).

 

Normenkette

StPO § 244 Abs. 3 S. 2, § 267 Abs. 3 S. 1, §§ 337, 339

 

Tatbestand

Das AG verurteilte den Angekl. wegen unerlaubten Handeltreibens mit BtM in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten. Hiergegen legten sowohl die StA als auch der Angekl. auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung ein. Das LG hat die Berufung der StA verworfen. Auf die Berufung des Angekl. änderte es mit Urteil vom 25.07.2016 das erstinstanzliche Urteil dahin ab, dass es gegen den Angekl. eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten festsetzte, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision rügt die StA die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Mit der Verfahrensrüge beanstandet sie, dass das LG einen zunächst wegen Wahrunterstellung abgelehnten Beweisantrag der StA auf Vernehmung des gesondert Verfolgten P. zum Nachtatverhalten des Angekl. in den Urteilsgründen zu Unrecht als bedeutungslos zurückgewiesen und damit die Wahrunterstellung nicht eingehalten habe. Das Rechtsmittel erwies sich als begründet und führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückweisung der Sache.

 

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 333 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§§ 341 I, 344, 345 StPO) Revision der StA hat mit der Rüge der Verletzung von § 244 III 2 StPO Erfolg. Auf die geltend gemachten sachlich-rechtlichen Beanstandungen kommt es deshalb nicht mehr an.

I. Zutreffend ist das LG davon ausgegangen, dass die Berufungen des Angekl. und der StA wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt wurden. Es hat deshalb zu Recht seine Prüfung auf die Frage der Strafzumessung beschränkt und den Schuldspruch des AG als seiner Prüfung entzogen (§ 327 StPO) angesehen. Dabei hat es auch erkannt, dass es nach wirksamer Beschränkung der Berufungen auf den Rechtsfolgenausspruch zum Nachtatverhalten eigene Feststellungen zu treffen hatte, da die im Urteil des AG vom 13.08.2015 insoweit getroffenen Feststellungen ausschließlich für den Rechtsfolgenausspruch von Bedeutung waren und nicht etwa als sog. doppelrelevante Tatsachen Bindungswirkung entfalteten (OLG Bamberg, Beschl. v. 22.01.2013 - 2 Ss 107/12 = StraFo 2013, 296). Nach den in Teilrechtskraft erwachsenen Feststellungen des AG [...] vereinbarte der Angekl. mit dem hierwegen bereits rechtskräftig verurteilten P., ein Paket mit 1.519,8 g Marihuana über den Paketdienst der Firma UPS an einen tatsächlich nicht existenten Adressaten in G. zu versenden. Nach dem gemeinsamen Tatplan sollte dieses Paket von [...] P. im Rahmen seiner Tätigkeit als Paketausfahrer bei der Firma UPS zum Zwecke der gewinnbringenden Weiterveräußerung übernommen und der Angekl. am Gewinn beteiligt werden [...]. Das [...] sichergestellte Rauschgift hatte einen Wirkstoffgehalt von 5,4% THC, was einer Menge von 82,0 g THC entspricht. Die Tat erfolgte auf Betreiben des in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen [...] P., der a...

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