Rz. 68

Seit Einführung des RVG ist das Entwerfen einer Urkunde nicht mehr im Gesetzeswortlaut erwähnt, wobei sich aus der Gesetzesbegründung kein Hinweis ableiten lässt, dass die Geschäftsgebühr Nr. 2300 für den Entwurf einer Urkunde oder eine einseitige Willenserklärung (nicht wechselseitiger Erbvertrag!) wie z.B. ein Testament, nicht mehr gelten sollte.[67] Die herrschende Rechtsprechung versagt jedoch die Geschäftsgebühr für die Hilfe bei der Erstellung einer Urkunde und billigt dem Anwalt lediglich eine Beratungsgebühr nach § 34 RVG zu, so z.B. auch das OLG Nürnberg,[68] das dem Anwalt für die Erstellung eines Mahnschreibens, das der Mandant selbst absenden wollte, keine Geschäftsgebühr zusprach. Gebührenverlust: Enorm! Zu Beginn des Inkrafttretens des RVG wurde in der Literatur noch überwiegend angenommen, dass das Erstellen einer Urkunde und damit z.B. auch eines Testaments die Geschäftsgebühr auslöst.[69] Inzwischen mehren sich die Stimmen in der Rechtsprechung, dass auch für die Hilfe bei der Erstellung eines Testaments keine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV abgerechnet werden kann.[70] Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Mitwirkung bei der Erstellung eines Erbvertrags, Erbverzichtsvertrag oder Pflichtteilsverzichtsvertrag mit wechselseitigen Regelungen (Geschäftsgebühr entsteht unstreitig) und dem einseitigen Testament (Tendenz der Rechtsprechung zur Anwendung des § 34 RVG). Testamente sind (ebenso wie ein Erbvertrag) Verfügungen von Todes wegen. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber mit dem 2. KostRMoG uneingeschränkt auf die Anwendung des § 102 GNotKG verweist, spricht m.E. dafür, dass die Geschäftsgebühr für die Hilfe bei der Gestaltung eines Testaments Anwendung finden kann. Allerdings wird im Hinblick darauf, dass bis zum 31.7.2013 in § 23 Abs. 3 RVG auf § 46 Abs. 4 KostO verwiesen wurde und gleichwohl ablehnende Rechtsprechung erging, der Abschluss einer Vergütungsvereinbarung dringend angeraten.

 

Rz. 69

Fraglich ist, ob die Überschrift zu Teil 2 VV RVG mit dem Wort "Vertretung" gegen die Annahme spricht, dass die Mithilfe bei der Erstellung eines Testaments mit der Geschäftsgebühr zu vergüten ist. Auf den "ersten Blick" mag der Begriff "Vertretung" eine Vertretung des Auftraggebers nach außen hin meinen. Möglich ist m.E. aber, den Begriff so zu definieren, dass auch die Mitwirkung des Anwalts an der Erstellung eines Testaments als Vertretung angesehen werden kann, denn der Anwalt hilft dem Mandanten bei der Erstellung damit, seinen ausdrücklichen Willen zu erklären. Auch wenn das Testament eine einseitige Willenserklärung ist, so ist doch der Wille des Testierenden nur dann umsetzbar, wenn dieser Wille im Erbfall nach außen gegenüber Dritten zu Tage tritt. Mit anderen Worten. Zum Zeitpunkt der Errichtung eines Testamentes ist dieses nicht dafür gedacht, auf "ewig in der Schublade zu verschwinden". Der Testierende testiert ja gerade deshalb, weil er seinen Willen im Erbfall umgesetzt wissen möchte. Der Anwalt, der bei der Erstellung eines Testaments behilflich ist, vertritt daher durchaus die Interessen des Erblassers. Die unmittelbare Tätigkeit/Arbeit des Anwalts – so ist es zumindest im Zeitpunkt der Erstellung eines Testaments gedacht – soll ja gerade Außenwirkung entfalten.

 

Rz. 70

Die reine Beratung zu testamentarischen möglichen Gestaltungen – ohne Ausformulierung – oder auch zur Erbfolge, zum Ausschluss aus der Erbfolge, Pflichtteilsansprüchen; Vermächtnisregelungen und ähnliches ist ohne Zweifel über § 34 RVG zu vergüten.

[67] BT-Drucks 15/1971, S. 206.
[69] Madert, AGS 2005, 2 (5); Gerold/Schmidt/Madert, RVG 18. Aufl. 2008 VV 2300 Rn. 13; N. Schneider, AGS 2006, 60 f.; in Frage stellend insoweit Onderka/Wahlen in Schneider/Wolf, RVG, 5. Aufl. 2010, VV Vorb. 2.3 Rn 37.
[70] OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.2011 – I-24 V U 224/11, NJW-Spezial 2012, 635 = BeckRS 2012, 17725; AG Hamburg-Altona, Beschl. v. 6.1.2007 – 316 C 85/07 AGS 2008, 166 m. Anm. N. Schneider, BeckRS 2008, 02289.

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