Rz. 131

Das Bemessungskriterium "Schwierigkeit" aus § 14 Abs. 1 RVG betrifft Merkmale der juristischen Bearbeitung, in denen besondere Kenntnisse erforderlich sind. Hier stellt sich regelmäßig die Frage, wie intensiv sich der Rechtsanwalt mit der Sache beschäftigen muss.[84] Dabei werden die rechtliche und die tatsächliche Schwierigkeit unterschieden.

[84] Jungbauer in Bischof/Jungbauer u.a., RVG, Nr. 2300 VV Rn 93 ff.

a) Rechtliche Schwierigkeit

 

Rz. 132

Immer ist anhand eines objektiven Maßstabes zu prüfen, ob die anwaltliche Tätigkeit schwierig ist oder nicht. Das bedeutet, dass ein RA nicht schon deshalb die Gebühren anheben kann, weil er als Fachanwalt im Familienrecht spezialisiert ist (siehe auch Rdn 163). Die Tätigkeit auf diesem Rechtsgebiet muss objektiv schwierig sein. Das bedeutet beispielsweise, dass ein Zugewinnausgleichsverfahren durchschnittlich sein kann und der bearbeitende RA trotz Fachanwaltstitel keine höheren Gebühren verlangen kann. Muss aber bei einem Zugewinnausgleichsverfahren beispielsweise erst eine Unternehmensbewertung durch Sachverständigengutachten erfolgen, um den dem Auftraggeber zustehenden Ausgleichsanspruch berechnen zu können, kann von einer objektiven Schwierigkeit des Falles ausgegangen werden, was zu einer höheren Gebühr führt. Es kommt also grundsätzlich nicht darauf an, ob die Sache für den bearbeitenden RA schwierig ist.[85]

Nach Enders können Fälle aus dem Familien- und Erbrecht als schwierig angesehen werden.[86]

[85] Enders, JurBüro 2004, 516; Jungbauer in Bischof/Jungbauer u.a., RVG, Nr. 2300 VV Rn 97.
[86] Enders, JurBüro 2004, 516 – wobei sich Enders in RVG für Anfänger, Rn 150 gegen eine Katalogisierung und für eine konkrete Einzelfallbetrachtung ausspricht).

b) Tatsächliche Schwierigkeit

 

Rz. 133

Tatsächliche Schwierigkeiten können zu einer Erhöhung der Rahmengebühren führen: Solche, die durch die Fallgestaltung bedingt sind, aber auch solche, die durch den Umgang mit den beteiligten Personen entstehen.[87] Tatsächlich schwierig kann eine Sache sein, wenn der RA sich mit Gutachten auseinandersetzen muss (z.B. medizinischen, psychiatrischen, bautechnischen); die Aufklärung des Sachverhalts aufgrund von Widersprüchen schwierig ist; Verständigungsschwierigkeiten zwischen RA und Mandant vorhanden sind, z.B. weil der Mandant ein Hörgerät trägt, oder ein Dolmetscher hinzugezogen werden muss, oder der Rechtsanwalt den im Ausland befindlichen Mandanten nur zu ganz bestimmten Uhrzeiten erreichen kann; Schwierigkeiten mit einem uneinsichtigen und wenig nachgiebigen Gegner;[88] Schwierigkeiten, die in der Persönlichkeitsstruktur des Mandanten liegen.[89] Auch die Vertretung mehrerer Auftraggeber kann zu einer Erhöhung führen, wenn kein Fall der Nr. 1008 VV RVG gegeben ist.

 

Rz. 134

 

Praxistipp

"Schwierige Mandanten", die unter das Kriterium "tatsächliche Schwierigkeit" fallen, wirken sich in der Regel auch auf den Umfang einer Angelegenheit aus. Mandanten, die den Anwalt "über Gebühr" als kostenlose allgemeine Lebenshilfe in Anspruch nehmen und Rat und Trost in stundenlangen Telefonaten verlangen, kann man mit der Bitte um Vereinbarung eines Stundensatzes meist dazu bewegen, die Gespräche auf das notwendige Maß zu beschränken. Eine Stundensatzvereinbarung wäre allerdings auch nur mit einem "nicht-VKH-Mandant" möglich (vgl. § 3 Rdn 92 ff.).

[87] Gerold/Schmidt/Mayer, § 14 Rn 16; Göttlich/Mümmler/Rehberg/Xanke, Rahmengebühr, 2.3.3.
[88] Enders, JurBüro 2004, 516.
[89] Enders, JurBüro 2004, 516; LG Karlsruhe AnwBl 1987, 338.

c) Reduktion Schwierigkeit beim Fachanwalt für Familienrecht?

 

Rz. 135

Keinesfalls ist nach Ansicht der Verfasserin der Auffassung zu folgen, die annimmt, bei einem Fachanwalt sei das Kriterium "Schwierigkeit" immer abzusenken, da ihm die Bearbeitung auch schwierigerer Fälle grundsätzlich leichter fällt als einem Nicht-Fachanwalt. Umgekehrt würde dies bedeuten, dass der Rechtsanwalt, der weder spezialisiert noch besonders gut ist, die höchsten Gebühren abrechnen könnte, denn für ihn ist alles schwierig.

 

Rz. 136

Die Schwierigkeit ist daher immer nach objektiven Maßstäben zu bemessen.[90]

Otto (Ministerialrat im Bundesministerium der Justiz, Referat anwaltliches Kostenrecht) teilt die Schwierigkeiten in Familiensachen wie folgt ein:[91]

Durchschnittlich schwierig

ist eine Scheidungsangelegenheit, bei der sich bei Beauftragung des Anwalts die Ehegatten bereits geeinigt haben.

Eher schwierig

sind anwaltliche Tätigkeiten, die nicht abgeschlossene Fälle betreffen, sondern sich während des Mandats noch fortentwickeln, typischerweise familienrechtliche Auseinandersetzungen, bei denen sich nicht nur die Verhältnisse ständig ändern (Änderungen der Einkommensverhältnisse, Änderungen hinsichtlich des Kontakts zu den Kindern), sondern auch die ständige Anteilnahme der Mandanten zu immer neuen anwaltlichen Tätigkeiten führen.
[90] Jungbauer in Bischof/Jungbauer, RVG, Nr. 2300 VV Rn 59.
[91] Otto, NJW 2006, 1474.

d) Arbeitshilfe: Checkliste zu Umfang und/oder Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit

 

Rz. 137

Die nachstehende Checkliste kann in der Praxis wertvolle Dienste leisten, die Geschäftsgebühr korrekt zu bemessen. Füllt man diese während der Bearbeitung des Mandats aus, ist die ...

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