Rz. 159

Durch das Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und kostenrechtlicher Vorschriften[104] wurde ein neuer § 15a RVG eingeführt und § 55 Abs. 5 RVG geändert. Beide Bestimmungen haben große Auswirkungen auf die Frage der Anrechnung einer Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren (sowohl beim "Wahlanwalt" als auch beim "VKH-Anwalt"). Sie sind am 5.8.2009 in Kraft getreten.

 

Rz. 160

 

§ 15a Anrechnung einer Gebühr

(1) Sieht dieses Gesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vor, kann der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren.

(2) Ein Dritter kann sich auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.

 

Rz. 161

Grund für die – lediglich klarstellenden – Regelungen in § 15a RVG und § 55 Abs. 5 RVG war die in der Praxis viel kritisierte Rechtsprechung des BGH,[105] wonach eine Verfahrensgebühr von vornherein nur in gekürzter Höhe entstehe, wenn auf sie eine andere Gebühr wegen ihrer Entstehung angerechnet werden muss. Der unterlegene Prozessgegner habe sie deshalb auch nur in entsprechend verminderter Höhe zu erstatten. Diese Form der Auslegung der Anrechnungsvorschriften war durch den Gesetzgeber jedoch so nicht beabsichtigt,[106] weshalb er zur Klarstellung § 15a RVG ins Leben rief.

 

Rz. 162

Während § 15a Abs. 1 RVG das Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant regelt, ergibt sich aus § 15a Abs. 2 RVG, in welchen Fällen ein Dritter sich auf die Anrechnung berufen kann. So kann sich ein Dritter auf die Anrechnung nur berufen,

soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat;
wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder
beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.
 

Rz. 163

Zur Frage, ob ein Vollstreckungstitel i.S.d. § 15a RVG auch besteht, wenn ein Vergleich mit Zahlung eines Vergleichsbetrages "… zur Abgeltung aller Ansprüche …" abgeschlossen und eine vorgerichtliche Geschäftsgebühr als Nebenforderung mit eingeklagt worden ist, hat der BGH entschieden:

Zitat

"Enthält ein Prozessvergleich keine ausdrückliche Regelung dazu, inwieweit die vom Kläger mit eingeklagte Geschäftsgebühr vom Gegner zu zahlen ist oder inwieweit eine solche Geschäftsgebühr in der vom Beklagten zu zahlenden Vergleichssumme enthalten sein soll, kommt eine Anrechnung der Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren nicht in Betracht."[107]

[104] Gesetz vom 30.7.2009, BGBl I S. 2449 m.W.v. 5.8.2009.
[105] BGH, Beschl. v. 22.1.2008 – VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323 = JurBüro 2008, 302 = AGS 2008, 158 = RVGreport 2008, 148 = AnwBl 2008, 378.
[106] BT-Drucks 16/12717 v. 22.4.2009, S. 67 f. der elektronischen Vorabfassung.
[107] BGH, Beschl. v. 7.12.2010 – VI ZB 45/10 = JurBüro 2011, 188 = NJW-Spezial 2011, 59 = BeckRS 2010, 30940.

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