Rz. 130

Von besonderer Praxisrelevanz ist die Frage, welchen Lohn der Arbeitgeber dem vermeintlichen Solo-Selbstständigen/Freien Mitarbeiter in Zukunft nach (gerichtlicher) Klärung, dass dieser in Wirklichkeit ein Arbeitnehmer ist, zahlen muss (vgl. beispielhaft die Einkommenssituation in der IT-Branche[217]).

 

Rz. 131

Zur Transparenz der Vergütung können Tarifverträge oder auch ggf. das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) beitragen. Letzteres gilt indes nur für Betriebe mit regelmäßig mehr als 200 Beschäftigten. Das Gesetz soll Lohnunterschieden zwischen Männern und Frauen durch Transparenz entgegenwirken.[218] Dazu haben Beschäftigte gem. § 10 EntgTranspG einen Auskunftsanspruch. Dazu zählen gem. § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, d.h. nach einem gewonnenen Status-Prozess besteht der Auskunftsanspruch.

 

Rz. 132

Ob der Auskunftsanspruch darüber hinaus auch für Freie Mitarbeiter und/oder arbeitnehmerähnliche Personen besteht, hatte der 8. Senat des BAG im Fall einer freien ZDF-Redakteurin zu entscheiden. Der 8. Senat des BAG kam zu dem Ergebnis, dass Freie Mitarbeiter zwar nicht unter das Entgelttransparenzgesetz fallen und daher insofern keinen Auskunftsanspruch haben, aber der Anspruch der Redakteurin als arbeitnehmerähnliche Person nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG besteht.[219] Das Auskunftsverlangen besteht gem. § 10 Abs. 1 S. 3 EntgTranspG zu dem durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt nach § 5 Abs. 1 EntgTranspG und bis zu zwei einzelnen Entgeltbestandteilen.

 

Rz. 133

In einer Entscheidung betreffend eine Sprecherin und Aufnahmeleiterin in einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt ist das BAG zu dem Ergebnis gekommen, dass sich mangels Vereinbarung über die Höhe der Vergütung im Fall des Bestehens eines Anstellungsverhältnisses der Anspruch auf die übliche Vergütung gem. § 612 Abs. 2 BGB richte. Denn aus der bloßen Zahlung der Honorare für freie Mitarbeit sei nicht zu schließen, dass diese Honorarvergütung auch für den Fall vereinbart sei, dass der Mitarbeiter eine rechtskräftige gerichtliche Feststellung erreicht, der zufolge er nicht Freier Mitarbeiter, sondern Arbeitnehmer ist. Die übliche Vergütung sei nicht ohne weiteres identisch mit der tarifvertraglichen Vergütung, sie könne je nach den Umständen höher, in besonderen Fällen auch niedriger liegen. Bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten werden die Gehälter aus den für Arbeitsverhältnisse abgeschlossenen Gehalts- oder Lohntarifverträgen gezahlt.[220]

 

Rz. 134

Dies bedeutet, dass im öffentlichen Dienst für die Zukunft die tarifliche Vergütung regelmäßig als die übliche Vergütung i.S.v. § 612 Abs. 2 BGB angesehen werden kann.[221] Unter- oder übertarifliche Vergütung ist auf Ausnahmefälle beschränkt. Denn bestehen, wie etwa im öffentlichen Dienst, unterschiedliche Vergütungsordnungen für Arbeitnehmer und Freie Mitarbeiter, ist regelmäßig anzunehmen, dass die Parteien die Vergütung der ihrer Auffassung nach zutreffenden Vergütungsordnung entnehmen wollen. Es fehlt dann an einer Vergütungsvereinbarung für das in Wahrheit vorliegende Rechtsverhältnis; die Vergütung richtet sich nach § 612 Abs. 2 BGB.[222] Sofern also nicht eine tarifliche Vergütungsregelung unmittelbar gilt, wird die übliche Vergütung geschuldet.[223]

 

Rz. 135

 

Praxishinweis

Nach der Rechtsprechung des BAG war nach der Statuskorrektur bei der Ermittlung der zutreffenden Lohnhöhe zwischen Privatunternehmen und öffentlichem Dienst zu differenzieren. Dies hat das BAG inzwischen relativiert.

 

Rz. 136

Außerhalb des öffentlichen Diensts, also bei privaten Unternehmen, hielt das BAG ursprünglich die gem. § 611 BGB für das fälschlich angenommene Selbstständigen-Verhältnis vereinbarte Vergütung auch für das Arbeitsverhältnis für maßgeblich, und zwar unabhängig von der zuvor erfolgten unrichtigen rechtlichen Qualifizierung des Vertragsverhältnisses sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft.[224]

 

Rz. 137

Davon hat sich das BAG inzwischen distanziert und ausgeführt:

Zitat

"Soweit es in der vorgenannten Entscheidung obiter heißt, "… Insofern mag es außerhalb des öffentlichen Dienstes anders liegen und wird sich vielfach die vereinbarte Vergütung abhängig von der rechtlichen Qualifizierung des Vertragsverhältnisses als für die Vergangenheit und sogar für die Zukunft maßgeblich erweisen, sei damit nicht gesagt, dass es für eine solche Schlussfolgerung besonderer Anhaltspunkte nicht bedürfte. Sollten die Ausführungen anders zu verstehen sein, hält der Senat daran nicht fest."[225]

 

Rz. 138

Nach der früheren Rspr. des BAG sollte die jeweilige Parteivereinbarung gem. § 611 Abs. 1 BGB insb. dann maßgeblich bleiben, wenn der Arbeitgeber Tagespauschalen nur in der Höhe nach abhängig von der rechtlichen Behandlung als Selbstständiger oder Arbeitnehmer zahlt.[226] Finden im Betrieb keine Tarifverträge Anwendung und trifft der Arbeitgeber individuelle Vereinbarungen, spricht dies dafür, dass eine Pauschalvergütung gerade auf die konkrete Arbeitsleistung des Verpflicht...

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