Rz. 160

Die Vertragserfüllungsbürgschaft kann sowohl dem Unternehmer als auch dem Besteller als Sicherungsinstrument zur Absicherung der jeweils unterschiedlichen Erfüllungsansprüche dienen.

(1) Sicherungsumfang für Besteller

(a) Einfache Sicherungsabrede

 

Rz. 161

Die Vertragserfüllungssicherheit zugunsten des Bestellers sichert im Allgemeinen – insbesondere bei fehlender vertraglicher Konkretisierung in Bezug auf den Sicherungszweck (einfache Sicherungsabrede) – die Ansprüche auf die vollständige, fristgerechte, ordnungsgemäße und – zum Zeitpunkt der Abnahme – mangelfreie Erbringung der vertraglich geschuldeten Werkleistung:

Ordnungsgemäße, mangelfreie Leistung

Ansprüche aus § 4 Abs. 7 S. 2 VOB/B auf Schadensersatz, Ansprüche aus einer Kündigung gem. § 4 Abs. 7 S. 3 i.V.m. § 8 Abs. 3 VOB/B, Ansprüche aus § 10 Abs. 1 und 6 VOB/B, Ansprüche aus § 634 BGB vor der Abnahme

Rückzahlungsansprüche aus Schadensersatz

Rückforderung aus Schadensersatz wegen Nichterfüllung (Schadensersatz aus dem Ausführungsbereich, z.B. weil der Unternehmer wegen Insolvenz die Baumaßnahme nicht mehr durchführen kann),[154] nicht aber Rückforderungsansprüche aus einer "normalen" Überzahlung

Fristgerechte Erfüllung

Ansprüche aus Verzug gem. §§ 280, 286 ff. BGB, § 6 Abs. 6 VOB/B, § 5 Abs. 4 i.V.m. § 8 Abs. 3 VOB/B sowie Ansprüche auf Zahlung einer Vertragsstrafe

 

Rz. 162

Im Unterschied zur Bürgschaft für Mängelansprüche (Gewährleistungsbürgschaft) deckt die Vertragserfüllungsbürgschaft die Erfüllungspflicht des Unternehmers bis zur Abnahme ab, während die Bürgschaft für Mängelansprüche regelmäßig zur Absicherung von Mängelansprüchen nach der Abnahme dient.[155] Nur Ansprüche des Bestellers, die schon vor der Abnahme entstanden sind, aber bereits in Zahlungsansprüche umgewandelt wurden (z.B. § 4 Abs. 7 i.V.m. § 8 Abs. 3 VOB/B), fallen noch in den Anwendungsbereich der Vertragserfüllungsbürgschaft, ebenso solche Mängelrechte des Bestellers, die sich der Besteller bei Abnahme vorbehalten hat.

 

Rz. 163

Eine fehlende Sicherungsabrede ist bei Zugrundelegung eines VOB/B-Vertrages unschädlich, da § 17 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B bereits regelt, dass eine vereinbarte Sicherheit dazu dienen soll, "die vertragsgemäße Ausführung der Leistung und die Mängelansprüche sicherzustellen." Damit liegt bereits eine Zweckbestimmung vor, ohne dass es einer zusätzlichen Sicherheitsabrede bedarf. Beim BGB-Bauvertrag muss der Zweck der Sicherheitsleistung dagegen noch einmal vertraglich konkretisiert werden, da § 17 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B nicht gilt.

[154] BGH v. 17.12.1987 – IX ZR 263/86 – BauR 1988, 220, 222.
[155] Kapellmann/Messerschmidt/Thierau, VOB Teile A und B, Kommentar, § 17 Rn 221 m.w.N.; Werner/Pastor, Der Bauprozess, Rn 1605; Ingenstau/Korbion/Leupertz/von Wietersheim/Joussen, VOB Teile A und B, Kommentar, § 17 Abs. 1 Rn 20.

(b) Qualifizierte Sicherungsabrede

 

Rz. 164

Ergeben sich spezielle Sicherungsbedürfnisse für den Besteller, sollten diese ausdrücklich in einer qualifizierten Sicherungsabrede berücksichtigt werden:

Rückzahlungsansprüche aus bereicherungsrechtlichen Aspekten

Die Sicherungsabrede sollte einen klaren Hinweis darauf enthalten, dass die Vertragserfüllungsbürgschaft auch Ansprüche auf Erstattung von Überzahlungen abdeckt, da Rückforderungsansprüche aus einer "normalen" Überzahlung von einer Vertragserfüllungsbürgschaft grundsätzlich nicht mehr umfasst sind; insoweit handelt es sich nämlich nicht mehr um eine nicht vertragsgemäße Leistung des Unternehmers i.S.d. § 17 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B.

Freistellungs- oder Regressansprüche bei Verletzung von Verpflichtungen des Unternehmers aus öffentlich-rechtlichen, arbeitsrechtlichen oder nachbarrechtlichen Obliegenheiten
Ansprüche wegen Nebenpflichtverletzungen, insbesondere für die Verletzung von Treue- und Kooperationsverpflichtungen
Ggf. Ansprüche auf Stellung einer Sicherheit für Mängelansprüche

(2) Sicherungsumfang für Unternehmer

(a) Einfache Sicherungsabrede

 

Rz. 165

Bei einfacher Sicherheitsabrede sichert die Vertragserfüllungssicherheit für den Unternehmer i.d.R. die vollständige und rechtzeitige Zahlung.

(b) Qualifizierte Sicherungsabrede

 

Rz. 166

Zusätzliche Sicherungsbedürfnisse des Unternehmers sollten ausdrücklich in eine qualifizierte Sicherungsabrede aufgenommen werden:

Vergütung für geänderte und zusätzliche Leistungen
Ansprüche wegen Behinderung und Bauablaufstörung
Ansprüche wegen vertraglicher Nebenpflichtverletzungen

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