Rz. 198
Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch an die Tätigkeit von Presseunternehmen zu denken, die im Rahmen der sog. identifizierbaren Berichterstattung oft personenbezogene Daten verarbeiten. Unter konkret datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten sind diese Fälle, soweit ersichtlich, bislang nicht Gegenstand des rechtlichen Diskurses gewesen. Oftmals verfolgt die Presse aber hier neben eigenen "berechtigten Interessen"[263] auch ein Informationsinteresse der Allgemeinheit.[264]
Rz. 199
Unter dem Gesichtspunkt der Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 10 Grundrechtecharta) sind derartige Konstellationen in den vergangenen Jahren vielfach Gegenstand von Entscheidungen des EGMR[265] gewesen. Die hierin zur Abwägung der Meinungsfreiheit gegen das Persönlichkeitsrecht getätigten Erwägungen, geben auch Rückschlüsse auf die in die Abwägung zwischen den "berechtigten Interessen" des Verantwortlichen und den "Interessen des Betroffenen" einzustellenden Gesichtspunkte. Hiernach ist beispielsweise entscheidend, ob die Meinungsäußerung einen Beitrag zu einer Debatte darstellt, die von öffentlichem Interesse ist. Ebenso von Bedeutung können
▪ | der Bekanntheitsgrad der betroffenen Person |
▪ | das Thema des Berichts, |
▪ | das Vorverhalten der betroffenen Person, |
▪ | die Vorgehensweise der Informationsbeschaffung, |
▪ | die Richtigkeit der Informationen, |
▪ | der Inhalt, der Veröffentlichung, |
▪ | die Form der Veröffentlichung, |
▪ | die Folgen der Veröffentlichung, |
▪ | das Ausmaß und die Schwere der verhängten Sanktion |
sein. In einigen Entscheidungen ist auch einbezogen worden, ob der Name des Betroffenen vorher an die Öffentlichkeit gedrungen war und ob sich der Autor auf einen offiziellen Bericht berufen konnte.[266]
Rz. 200
Die Definition, was Gegenstand des Allgemeininteresses ist, hängt von den Umständen des Falles ab. Der EGMR hat das Vorhandensein eines solchen Interesses nicht nur dann anerkannt, als die Veröffentlichung politische Fragen oder begangene Verbrechen betraf,[267] sondern auch, als sie Fragen in Bezug auf Sport oder Bühnenschauspieler betraf.[268] Etwaige Eheprobleme eines Staatspräsidenten oder finanzielle Schwierigkeiten eines berühmten Sängers wurden hingegen nicht so angesehen, als fielen sie in den Bereich einer Debatte von allgemeinem Interesse.[269]
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