Rz. 186

Art. 6 Abs. 1 lit f) DSGVO ist eng auszulegen, damit er nicht zum Auffangtatbestand für beliebige Datenverarbeitungen umfunktioniert wird.[241] Dennoch wäre es verfehlt Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO als "Ausnahme zum Regelfall" zu begreifen und den Anwendungsbereich der Vorschrift gegenüber den sonstigen Erlaubnistatbeständen geringer zu gewichten. Ein solches Verständnis lässt sich weder dem Gesetzestext noch der Systematik des Art. 6 Abs. 1 DSGVO an sich entnehmen. Es ist vielmehr so, dass Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO selbstständig neben den sonstigen Erlaubnistatbeständen in Art. 6 Abs. 1 DSGVO Anwendung findet. Selbst wenn die Verarbeitung eines personenbezogenen Datums wegen Vertragserfüllung unzulässig werden sollte, kann sich eine Rechtfertigung zur weiteren Datenverarbeitung daher aus Art. 6 Abs. 1 lit f) DSGVO ergeben.

 

Rz. 187

Auch im Rahmen der Anwendung des Art. 6 Abs. 1 lit f) DSGVO findet jedoch das bereits aus den anderen Erlaubnistatbeständen bekannte "Erforderlichkeitskriterium" Anwendung. Auf die Ausführungen zu Inhalt und Reichweite kann daher grundsätzlich verwiesen werden (Rdn 146 ff.). Was im datenschutzrechtlichen Sinne erforderlich ist, ist daher auch im Rahmen der Prüfung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) eine (Wertungs-)Frage. Die Bestimmung des "berechtigten Interesses" begrenzt die durch sie legitimierte Datenverarbeitung. Nur was zur Erreichung eines anerkannten "berechtigten Interesses" der datenerhebenden Stelle gespeichert werden muss, kann überhaupt Gegenstand einer Verarbeitung auf Basis des Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO sein. Das "Müssen" in vorgenanntem Sinne darf jedoch nicht so verstanden werden, dass die Datenverarbeitung aus technischen, wirtschaftlichen, organisatorischen oder sonstigen Gründen "schlechterdings unverzichtbar wäre". Es reicht, wenn nach den Gesamtumständen die Wahl einer anderen Informationsmöglichkeit oder der Verzicht hierauf nicht sinnvoll wäre.

 

Rz. 188

Das eigentliche Korrektiv bildet die vorzunehmende Interessenabwägung. Sie bildet den Schwerpunkt innerhalb der Prüfung zur Beurteilung, ob eine Datenverarbeitungsbefugnis nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO besteht. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die grundrechtlichen Wertungen einzubeziehen und mithin die Reichweite des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zu berücksichtigen. Je stärker ein Datenverarbeitungsvorgang in die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen eingreift, umso eher wird die Interessenabwägung zugunsten des Betroffenen ausfallen müssen. Liegen nach dieser Abwägung keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Interessen des Betroffenen gegenüber den berechtigten Interessen der verantwortlichen Stelle überwiegen, ist die Datenverarbeitung in den Grenzen des vom Verantwortlichen festzulegenden Zwecks zulässig.

[241] Vgl. Art. 29. Datenschutzgruppe, Stellungnahme 06/2014 zum Begriff des berechtigten Interesses des für die Verarbeitung Verantwortlichen gemäß Artikel 7 der Richtlinie 95/46/EG, WP 217, S. 5, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/justice/data-protection/article-29/documentation/opinion-recommendation/files/2014/wp217_de.pdf.

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