Rz. 45
Fraglich bleibt die Rechtsfolge, bei Verfügung eines oder mehrerer Miterben, jedoch ohne Zustimmung aller Miterben. Würde man § 2040 BGB als lex specialis zu § 2038 BGB verstehen, so wäre die Verfügung bis zur Genehmigung schwebend unwirksam.[100] Würde die Genehmigung versagt oder war bereits im Vorfeld die Einwilligung verweigert worden, so ist die Verfügung endgültig unwirksam. Handelt es sich bei der Verfügung um eine Gestaltungserklärung (Anfechtung, Kündigung, Rücktritt usw., vgl. auch oben Rdn 42) wirkt eine Genehmigung abweichend von §§ 185 Abs. 2, 184 Abs. 1 BGB nicht rückwirkend.[101]
Vertritt man mit dem BGH dagegen die Auffassung, dass § 2038 Abs. 1 S. 2 BGB für Verfügungen lex specialis zu § 2040 BGB ist (bzw. im Einzelfall sein kann), so könnte eine nicht einstimmig vorgenommene Verfügung dennoch wirksam sein, wenn es sich um eine Maßnahme der Notverwaltung (§ 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB)[102] oder der ordnungsgemäßen Verwaltung (§ 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB)[103] handelt. Zu Einzelheiten zu den hier auftretenden rechtlichen und praktischen Problemen und zu weiteren Nachweisen vgl. Rdn 47, 77 ff. und Rdn 126 ff.
Rz. 46
Der Verfügungsempfänger, auch ein Miterbe, kann i.R.d. allgemeinen Vorschriften gutgläubig erwerben, §§ 932 ff., 892 BGB.[104] Der eigenmächtig verfügende Miterbe haftet dann ggf. der Erbengemeinschaft auf Schadensersatz gem. §§ 816 Abs. 1 S. 1, 823 Abs. 1 BGB. Regelmäßig ist dieses Handeln jedoch nicht gem. § 266 StGB strafbar (zur Untreue siehe § 23 Rdn 46).
Rz. 47
Nach der Änderung der Rechtsprechung des BGH[105] und der daran anschließenden neueren Rechtsprechung des BGH[106] zum Verhältnis von § 2038 BGB zu § 2040 BGB bei Verfügungen der Erbengemeinschaft bleiben für die Praxis mehr Fragen offen als gelöst wurden:
▪ | Welche Verfügungen werden künftig von dieser Rechtsprechung erfasst? |
▪ | Welche Möglichkeiten hat die Mehrheit der Erben (oder im Rahmen der Notverwaltung die Minderheit) Verfügungen mit Wirkung für die gesamte Erbengemeinschaft vorzunehmen? |
▪ | Gewährt die Mehrheitsentscheidung nach §§ 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 1, 745 BGB dann beispielsweise auch die Vollmacht, die Auflassung von zum Nachlass gehörenden Immobilien zu erklären (siehe hierzu Rdn 77)? |
▪ | Muss beispielsweise das Grundbuchamt aufgrund einer derartigen Mehrheitsentscheidung einen Eigentumswechsel im Grundbuch eintragen? |
▪ | Wie soll sich der Rechtspfleger von dem Vorliegen der Voraussetzungen (Mehrheitsentscheidung, Ordnungsmäßigkeit der Maßnahme, möglicherweise noch das "Vorliegen besonderer Umstände" (vgl. hierzu Rdn 78), daraus folgende Vertretungsmacht) überzeugen können? |
Vor der Änderung der Rechtsprechung des BGH war es überwiegende Auffassung in der Literatur und Rechtsprechung, dass auch eine Mehrheitsentscheidung gem. § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB der Erbengemeinschaft nicht die Zustimmung aller Miterben zu einer Verfügung ersetzt, sondern lediglich eine Verpflichtung begründet, an der Verfügung mitzuwirken oder einzuwilligen.[107] Diese Verpflichtung war dann ggf. im Wege der Klage durchzusetzen (siehe hierzu § 9 Rdn 39). Nach § 2040 BGB gibt es kein "Notverfügungsrecht". Die Rspr. wendet hier jedoch schon seit geraumer Zeit § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB auf Verfügungen als "vorrangige" Norm an.[108]
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