Rz. 34

Ergibt sich mit oder ohne Erstellung eines Inventars, vor oder nach Durchlaufen eines Aufgebotsverfahrens, dass der Nachlass überschuldet oder zahlungsunfähig ist, so muss der Erbe gemäß §§ 320, 317 Abs. 1 InsO ein Nachlassinsolvenzverfahren einleiten. Tut er das nicht, so macht er sich wegen Insolvenzverschleppung schadensersatzpflichtig nach § 1980 BGB und haftet auf den Quotenschaden.

 

Hinweis

Ist der Nachlass durch vom Erblasser angeordnete Vermächtnisse oder Auflagen überschuldet, insbesondere weil sich die Vermögensverhältnisse des Erblassers zwischen seinem Testat und dem Erbfall verschlechtert haben (z.B. wegen Pflegebedürftigkeit), so braucht kein förmliches Verfahren im Sinne eines Nachlassinsolvenzverfahrens durchlaufen werden, denn Vermächtnisse und Auflagen werden bei der Prüfung der Überschuldung des Nachlasses nicht mitberücksichtigt, § 1980 Abs. 1 S. 3 BGB. Zuvor ist aber durch Auslegung zu ermitteln, ob die Vermächtnisse überhaupt fortbestehen sollten.

 

Rz. 35

Die Nachlassinsolvenz dient der gleichmäßigen quotalen Befriedigung der Nachlassgläubiger.[30] Sie bedarf eines Eröffnungsgrundes, § 320 InsO:

Überschuldung
Zahlungsunfähigkeit und
beim Antrag eines (Mit-)Erben drohende Zahlungsunfähigkeit.

Zu beantragen ist die Nachlassinsolvenz beim Insolvenzgericht; das ist das Amtsgericht als Insolvenzgericht, bei dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte (§§ 2, 315 InsO).[31]

 

Hinweis

Im Falle der drohenden Zahlungsunfähigkeit besteht nur ein Antragsrecht, aber keine Antragspflicht des Erben.

Auch hier müssen die Gläubiger ihre Forderung wie im "normalen" Insolvenzverfahren auch zur Tabelle anmelden.

 

Rz. 36

Der Insolvenzverwalter ist nunmehr im Prozess passivlegitimiert (§ 240 ZPO) und auch außerprozessual Ansprechpartner für die Gläubiger; die Erben haften nur noch mit dem Nachlass (§ 1975 BGB).

 

Rz. 37

Den Nachlass hat der Erbe freilich verloren, genügt der doch in der Regel noch nicht einmal, um die Nachlassgläubiger zu befriedigen. Falls doch (so vor allem im Falle der Zahlungsunfähigkeit denkbar), so erhält er diesen nur um die Nachlassverbindlichkeiten und die Kosten des Nachlassinsolvenzverfahrens bereinigt zurück. Immerhin hält die Haftungsbeschränkung auch nach Abschluss des Verfahrens durch Verteilung der Masse oder durch Insolvenzplan an: Der Erbe haftet gemäß § 1989 BGB auch in diesem Falle nur noch nach Bereicherungsrecht analog § 1973 BGB.[32]

[30] Herzog, ErbR 2013, 70, 75.
[31] Jünemann, ZErb 2011, 59, 61: Nicht jedes Amtsgericht hat eine Insolvenzabteilung; nicht zuständig ist – anders als bei der Nachlassverwaltung – das Nachlassgericht. Siehe auch Rugulis, ZEV 2007, 117, sowie ders. ZEV 2007, 156.
[32] Strittig ist, ob der Erbe nach Aufhebung des Nachlassinsolvenzverfahrens die Einrede der §§ 1989, 1973 BGB auch dann erheben kann, wenn nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens noch Nachlassvermögen vorhanden ist, das in der Schlussverteilung nicht berücksichtigt wurde. Der BGH hat dies bisher nur für § 1990 BGB entschieden, BGH, Urt. v. 13.7.1989 – IX ZR 227/87, NJW-RR 1989, 1226 = FamRZ 1989, 1070. Für den Fall des § 1989 BGB siehe MüKo/Küpper, § 1989 BGB Rn 7 f.; juris-PK/Klinck, § 1989 BGB Rn 6; Staudinger/Dobler, § 1989 BGB Rn 7 f.; Jünemann, ZErb 2011, 59, 71.

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