Rz. 749

Gegenstand einer in § 1365 BGB geschützten Verfügung muss das Vermögen eines Ehegatten im Ganzen sein. Für § 1365 BGB ist der "juristische" Vermögensbegriff, der nur die Aktiven erfasst, zugrunde zu legen.[1000]

Ein Rechtsgeschäft über das Vermögen im Ganzen liegt jedenfalls dann vor, wenn Geschäftsgegenstand das Vermögen als Inbegriff ist und sich die die Parteien darüber einig sind, dass es sich um das ganze Vermögen handelt.[1001]

 

Rz. 750

In der Praxis durchgesetzt hat sich die sogenannte Einzeltheorie.[1002] Danach erfasst § 1365 BGB auch Rechtsgeschäfte über einzelne Gegenstände, die objektiv das ganze oder im Wesentlichen das ganze Vermögen des beteiligten Ehegatten ausmachen. Selbst wenn ein einzelner Gegenstand annähernd das gesamte Vermögen eines Ehegatten darstellt, ist § 1365 BGB nur anwendbar, wenn dieser Gegenstand auch von einigem Wert ist.[1003] Gering werthaltige Wirtschaftsgüter können weder wirtschaftliche Grundlage der Ehe und Familie sein, noch als Vermögen im Sinne des Vermögensbegriff des § 1365 BGB angesehen werden.

 

Rz. 751

Mit der oben dargestellten Einzeltheorie geht einher, dass auch Rechtsgeschäfte über einen singularen Gegenstand, über mehrere Gegenstände oder aber einen isolierten Vermögensbegriff auf eine Verfügung über das Vermögen im Ganzen gerichtet sein können. Der Gegenstand des Geschäfts muss nur tatsächlich das ganze oder doch beinahe das ganze Vermögen ausmachen.[1004]

 

Rz. 752

Ein Geschäft über das Vermögen als Ganzes liegt nach ständiger Rechtsprechung auch dann noch vor, wenn dem am Geschäft beteiligten Ehegatten Vermögensgegenstände verbleiben, die von untergeordneter Bedeutung zum Wert des Gesamtvermögensgeschäfts sind oder wenn ihm noch Vermögenswerte verbleiben, die von verhältnismäßig geringem Wert sind. Zu vergleichen ist die Relation der objektiven Werte.[1005]

 

Rz. 753

Entscheidend ist das Verhältnis der Werte des von dem Rechtsgeschäft erfassten und des nicht erfassten Vermögens. Abzustellen ist auf die objektiven Wertverhältnisse im Zeitpunkt der Vornahme des Geschäfts, nicht aber auf die individuellen Wertverhältnisse in der Hand des verfügenden Ehegatten.[1006] Im Rahmen des anzustellenden Wertvergleichs zwischen dem veräußertem und dem verbleibendem Vermögen ist eine zahlenmäßige Relation vorzunehmen. Rechtsprechung und Literatur haben diesbezüglich variierende Prozentsätze entwickelt.

So werden Geschäfte bei kleineren Vermögen, die nicht mehr als 85 % des gesamten Vermögens ausmachen, für zustimmungsfrei erklärt, bei größerem Vermögen sieht die Rechtsprechung Geschäfte erst dann als zustimmungsverpflichtend an, wenn sie mehr als 90 % des gesamten Vermögens betreffen.[1007]

 

Rz. 754

Damit sind bei kleineren Vermögen Rechtsgeschäfte zustimmungsfrei, wenn dem verfügenden Ehegatten zumindest 15 % seines Gesamtvermögens verbleiben, größeren Vermögen werden mindestens 10 % zurückbleiben müssen.[1008]

 

Rz. 755

Etwaige am Verfügungsobjekt bestehende Lasten, insbesondere Pfandrechte bei Immobilien, sind bei der Feststellung der Wertrelation von übertragenen und verbliebenen Vermögen zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für die verbleibenden Gegenstände.[1009]

 

Rz. 756

Aufgrund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist darauf zu achten, inwieweit die Belastungen des übertragenen Vermögensgegenstandes valutiert sind. Allgemeine Schulden bleiben demgegenüber unberücksichtigt.

Es ist nur der Wert des Vermögensgegenstandes maßgebend, nicht dessen Verwendungszweck.

 

Rz. 757

Zu betrachten ist nur dasjenige Vermögen, dass zum Zeitpunkt der Vornahme des unter § 1365 BGB fallenden Rechtsgeschäftes fällt. Noch nicht entstandene sowie noch nicht fällige Ansprüche, z.B. auf Arbeitslohn, Renten oder sonstige Versorgungsleistungen sind unbeachtlich.[1010] Anders sind Ansprüche auf Rente oder auf Kapitalzahlung aus einer privaten Lebensversicherung zu berücksichtigen, die zum gegenwärtigen Vermögen des jeweiligen Versicherungsnehmers zu zählen sind.[1011]

 

Rz. 758

Aufgrund fehlender gesetzlicher Regelung ist differenziert zu sehen, ob die Verpflichtung eines Ehegatten zur Verfügung über sein Vermögen im Ganzen in einem einzelnen Rechtsgeschäft zu erfolgen hat, oder ob es auf mehrere einzelne Rechtsgeschäfte aufgespaltet werden kann.

 

Rz. 759

Dabei ist Folgendes zu berücksichtigen: Mehrere Rechtsgeschäfte, die in ihrer Gesamtheit den Tatbestand des Gesamtvermögensgeschäfts erfüllen, für sich jedoch betrachtet unbedenklich sind, bleiben zustimmungsfrei auch dann, wenn sie in einem nahen zeitlichen Zusammenhang stehen. Bei Veräußerung verschiedener Vermögensstücke kommt daher § 1365 BGB erst bei dem das letzte Vermögensstück betreffenden Geschäft zu tragen.[1012]

 

Rz. 760

Werden mehrere Geschäfte jedoch nicht nur in einem zeitlichen sondern zugleich auch in einem sachlichen Zusammenhang abgeschlossen und bilden sie wirtschaftlich einen einheitlichen Lebensvorgang, sind sie als gebundene Geschäfte zu beurteilen, so dass § 1365 BGB auf jedes der jeweilig gesonderten Geschäfte anzuwenden ist.[1...

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