Rz. 52

Beim güterrechtlichen Vermögensbegriff geht der Gesetzgeber in den §§ 1374 ff. BGB jeweils vom Bruttovermögen und nicht vom Nettovermögen eines Ehegatten als Summe aller ihm zustehenden, rechtlich geschützten Positionen von wirtschaftlichem Wert, mithin aller ihm gehörenden Sachen und objektiv bewertbaren Rechte aus.[19] Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der §§ 1374 Abs. 1, 1375 Abs. 1 BGB, wonach vom Gesetzgeber ein Abzug der Verbindlichkeiten vom Vermögen gefordert wird.

Die einzelnen Vermögensbestandteile sind nur Rechnungsposten und stellen lediglich eine Rechengröße bei der Ermittlung des Vermögens dar.[20] Die Wertermittlung ist in § 1376 BGB geregelt. Die einzelnen Vermögenspositionen sind aufgrund ihrer Ungleichheit wertmäßig zu erfassen und in eine einheitliche Werteinheit umzurechnen.[21] Der in den §§ 1374 ff. BGB zugrunde gelegte Vermögensbegriff stellt somit nicht den Inbegriff von aktiven und passiven Vermögenswerten einer Person zu einem bestimmten Zeitpunkt dar, sondern ist der in Geldeinheiten umgerechnete, wertmäßige Überhang des Aktivvermögens über das Passivvermögen zu einem bestimmten Zeitpunkt.[22]

 

Rz. 53

Der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft erfordert keinen Ehevertrag und gilt daher mit rechtskräftiger Eheschließung, ohne dass es besonderer Vereinbarungen bedarf. Es gelten dann automatisch die gesetzlichen Vorschriften über die Zugewinngemeinschaft gemäß §§ 1363 ff. BGB. Für die Berechnung des Zugewinns wird zunächst zwischen dem Anfangs- und Endvermögen unterschieden.

Zugewinn ist der Betrag, um den das Endvermögen (§ 1375 BGB) das Anfangsvermögen (§ 1374 BGB) übersteigt, also der nach Begleichung des Unterhalts und anderer Ausgaben im Vermögen eines Ehegatten verbliebene Überschuss, der während der Ehe von ihm erworben worden ist.[23] Er berechnet sich nach strengem Stichtagsprinzip.[24]

 

Rz. 54

Gemäß § 1374 Abs. 1 BGB ist das Anfangsvermögen der Wert des Vermögens, das einem Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten beim Eintritt des Güterstands gehört. Das Endvermögen ist nach § 1375 Abs. 1 S. 1 BGB das Vermögen, das einem Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten bei Beendigung des Güterstands gehört. Das Anfangs- und Endvermögen bezeichnet demnach im Gegensatz zum allgemeinen güterrechtlichen Vermögensbegriff das Nettovermögen eines Ehegatten zum jeweiligen Stichtag.

 

Rz. 55

Seit dem "Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts" vom 6.7.2009, das am 1.9.2009 in Kraft getreten ist,[25] sind Verbindlichkeiten über die Höhe des Vermögens hinaus gemäß § 1374 Abs. 3 BGB auch beim Anfangsvermögen abzuziehen. Demnach können nunmehr sowohl das Anfangs- als auch das Endvermögen negativ sein. Allerdings kann der Zugewinn nicht negativ sein, sondern allenfalls Null.[26] Verluste eines Ehegatten sind insoweit nicht auszugleichen.[27]

 

Rz. 56

Zum Anfangs- und Endvermögen zählen alle einem Ehegatten zum Stichtag zustehenden rechtlich geschützten Positionen mit wirtschaftlichem Wert. Dies umfasst auch alle einem Ehegatten zustehenden objektiv bewertbaren Rechte wie Forderungen und Verbindlichkeiten, die am Stichtag bereits entstanden, aber noch nicht fällig waren.[28] Es werden auch Vermögenspositionen berücksichtigt, die keinen Bezug zur ehelichen Lebensgemeinschaft haben, wie zum Beispiel das Schmerzensgeld,[29] der Lottogewinn,[30] die Abfindung einer Schadensersatzrente[31] oder die Wiederverheiratungsabfindung[32] eines Ehegatten.[33] Zu den rechtlich geschützten Positionen von wirtschaftlichem Wert gehören auch geschützte Anwartschaften mit ihrem gegenwärtigen Vermögenswert sowie die ihnen vergleichbaren Rechtsstellungen, sofern diese nicht mehr von einer Gegenleistung abhängig und nach wirtschaftlichen Maßstäben bewertbar sind.[34] Der Wert muss jedoch nicht zwingend sogleich verfügbar sein.[35] Die Berücksichtigung eines Rechts im Anfangs- oder Endvermögen setzt ferner nicht voraus, dass das Recht übertragbar oder vererblich ist.[36] In der Rechtsprechung des BGH wurden als geschützte Anwartschaft oder eine vergleichbar gesicherte Rechtsstellung die Rechtstellung eines Nacherben, ein nach den Vorschriften des Betriebsrentengesetzes bereits unverfallbar gewordenes Versorgungsanrecht auf Auszahlung eines Kapitalbetrages sowie eine durch einen "qualifizierten Interessenausgleich" gemäß § 112 Abs. 1 S. 1 BetrAVG dem Grunde nach zugesagte und nicht als Ausgleich für Einkommensverluste bestimmte Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes als nach wirtschaftlichen Maßstäben bewertbare Rechtspositionen behandelt.[37]

 

Rz. 57

Nicht zum Anfangs- oder Endvermögen gehören demgegenüber noch in der Entwicklung begriffene Rechte, die noch nicht zur Anwartschaft erstarkt sind und bloße Erwerbsaussichten, da sie nicht das Merkmal "rechtlicher geschützter Positionen mit wirtschaftlichem Wert" erfüllen.[38] Auch künftige Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen wie Ansprüche auf Arbeitsentgelt, Renten, Unterhaltszahlungen oder Miet- und Pachtzinsen stellen keinen geg...

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