Rz. 772

Soweit der Erwerber eines Grundstücks dem Veräußerer zur Sicherung des Kaufpreises eine Hypothek und eine Grundschuld bestellt, so kann er dies ohne Einwilligung des anderen Ehegatten tun.[1029] Die Zustimmungsfreiheit muss für solche Grundstücksbelastungen möglich sein, soweit sie dem Zweck dienen, vorhandene wirtschaftliche Werte zu erhalten. Darüber hinaus muss dies auch dann gelten, wenn das Grundstück nicht beim Erwerbsvorgang, sondern zeitlich verzögert belastet wird.[1030]

 

Rz. 773

Die Bestellung eines Vorkaufsrechts fällt nicht unter das Zustimmungserfordernis.[1031] Ein Vorkaufsrecht mindert die Substanz des Eigentums nicht. Die Schutzbedürftigkeit des anderen Ehegatten ist zeitlich hinausgeschoben auf den Zeitpunkt, wenn der Kaufvertrag abgeschlossen wird, der den Vorkaufsfall und die Rechte des Dritten auslöst.

Soweit ein Grundstück nicht anlässlich seines Erwerbs belastet wurde, ist jegliche Belastung eines Grundstücks, sei es nur in der Hypothek, in der Grundschuld, einer Dienstbarkeit oder ein Nießbrauch eine Verfügung über das Grundstück und bedarf grundsätzlich der Einwilligung des anderen Ehegatten, soweit diese Verfügung eine Verfügung über das (nahezu) ganze Vermögen des verfügenden Ehegatten darstellt.

Wie oben dargestellt (siehe Rn 762) ist der juristische Verfügungsbegriff über das "Vermögen im Ganzen" unter wirtschaftlichen Aspekten zu sehen.

Geht man von dieser wirtschaftlichen Betrachtungsweise aus, so ist die Einwilligung des anderen Ehegatten nach § 1365 BGB nur dann zu fordern, wenn an einem Grundstück, dass das wesentliche Vermögen des Ehegatten bildet, Rechte bestellt werden, die den Verkehrswert (nahezu) ausschöpfen. Überwiegend orientiert sich die Rechtsprechung an den ökonomischen Daten des Einzelfalls. (Zu den Einzelheiten vgl. Rn 749 ff.)

 

Rz. 774

Soweit ein Grundstück mit einer Grunddienstbarkeit oder einem Nießbrauch belastet wird, kann § 1365 BGB Anwendung finden, insbesondere bei langjähriger Belastung, wenn nach deren Inhalt der wesentliche Ertragswert erfasst wird, der zugleich den Wert des Grundstücks entscheidend bestimmt.[1032]

Regelmäßig wird der Grundstückswert durch die Belastung in der Grunddienstbarkeit oder einen Nießbrauch nicht wertmäßig ausgeschöpft werden. In diesen Fällen ist eine Zustimmung des anderen Ehegatten nicht erforderlich.[1033]

 

Rz. 775

Nicht zustimmungsbedürftig ist eine Grundbuchbewilligung, da es sich hierbei lediglich um eine Abwicklungshandlung eines materiell bereits bestehenden Anspruchs handelt. Hier ist der Anwendungsbereich des § 1365 BGB nicht eröffnet.

 

Rz. 776

Ebenfalls nicht unter den Verfügungsbegriff des § 1365 BGB fallen die Vermietung und Verpachtung von Immobilien. Dies gilt sowohl für den Abschluss der entsprechenden Verpflichtungsverträge und auch für die erfüllende Besitz- und Gebrauchsüberlassung.

 

Rz. 777

 

Praxistipp

Grundsätzlich ist ein mit einem Grundstücksgeschäft betrauter Notar gehalten, die Vertragsparteien über Existenz und Wirkung des § 1365 BGB aufzuklären.[1034] Der Notar hat Nachforschungen nur dann anzustellen, wenn Anhaltspunkte für die Anwendung des § 1365 BGB vorliegen.[1035] Verletzt der Notar seine Aufklärungspflicht kann er sich schadensersatzpflichtig machen, § 19 Abs. 1 BNotO.[1036]

Die Folgen seiner Belehrungen und Nachforschungen führen möglicherweise zur Bösgläubigkeit des bisher gutgläubigen Vertragspartners. Dies steht seiner Aufklärungsverpflichtung nicht im Wege.[1037]

Das Grundbuchamt darf aufgrund der gesetzlich geregelten grundsätzlichen Verwaltungsfreiheit eines Ehegatten hinsichtlich seines Vermögens davon ausgehen, dass ein verfügender Ehegatte nicht in der Verwaltungsfreiheit beschränkt ist. Besteht jedoch Kenntnis von der Notwendigkeit der Zustimmung oder liegen begründete Zweifel vor, die auf konkreten Anhaltspunkten beruhen, so ist das Grundbuchamt verpflichtet gemäß § 18 GBO den Antrag zurückzuweisen oder eine Zwischenverfügung zu erlassen.[1038]

Soweit eine Verfügung über ein Grundstück oder ein Grundstücksrecht die Zustimmung des anderen Ehegatten bedarf, so ist das Vorliegen der Einwilligung oder Genehmigung dem Grundbuch gemäß § 29 GBO in öffentlicher Urkunde nachzuweisen.

[1029] BGHZ 132, 218, 227 = NJW 1996, 1740 = FamRZ 1996, 792.
[1030] MüKo/Koch, § 1365 Rn 60.
[1031] So auch BGH NJW 1982, 1099, Müko/Koch, § 1365 Rn 54; Staudinger/Thiele, § 1365 Rn 50.
[1032] BGHZ 123, 93, 95 = NJW 1993, 2441.
[1033] BGH FamRZ 1966, 32.
[1034] BGH, Beschl. v. 26.2.2015 – III ZR 279/14: Über Bestehen und Rechtswirkungen der Vorschrift des § 1365 BGB ist bereits dann aufzuklären, wenn nicht eine Anwendung des § 1365 BGB nach Familien- oder Güterstand oder dem Notar zuverlässig bekannten Vermögensverhältnissen des Veräußerers von vornherein ausscheidet.
[1035] BGHZ 64, 246, 248 f. = NJW 1975, 1270.
[1036] Staudinger/Thiele, § 1365 Rn 109 m.w.N.
[1037] BGHZ 64, 246, 250.
[1038] BGHZ 35, 135 = NJW 1961, 1301.

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