Rz. 498

§ 1374 Abs. 1 BGB definiert den für den Zugewinn nach § 1373 BGB konstitutiven Begriff des Anfangsvermögens und entzieht dem Zugewinn in § 1374 Abs. 2 BGB bestimmte Vermögensbestandteile, die zwar während der Ehe dazugewonnen worden sind, aber an denen der andere Ehegatte nach dem Grundgedanken der Zugewinngemeinschaft keinen Anteil haben soll, indem diese Vermögensgegenstände gesetzlich dem Anfangsvermögen zugewiesen werden.[703] Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts[704] vom 6.7.2009 am 1.9.2009 kann das Anfangsvermögen gemäß § 1374 Abs. 3 BGB auch negativ sein. Nach der früheren Rechtslage konnten Verbindlichkeiten gemäß § 1374 Abs. 1 BGB nur bis zur Höhe des Aktivvermögens abgezogen werden.

 

Rz. 499

Der Anwendungsbereich des § 1374 BGB gilt in allen Fällen, in denen der Güterstand nicht durch Tod entsprechend § 1372 BGB beendet worden ist, und außerdem in Todesfällen, wenn es zur güterrechtlichen Lösung nach § 1371 Abs. 2 und Abs. 3 BGB kommt.

 

Rz. 500

Die Ehegatten können gemäß den §§ 1408, 1410 BGB durch formgebundenen Ehevertrag die Bestimmung des Anfangsvermögens abweichend vom Gesetz regeln.

Sie erhalten danach die Möglichkeit, für den Wert des Anfangsvermögens einen anderen Betrag festzulegen, als der sich nach § 1374 Abs. 1 BGB errechnen würde, vorhandene Vermögensgegenstände oder nach § 1374 Abs. 2 dem Anfangsvermögen hinzuzurechnende Gegenstände oder Einkünfte vom Anfangsvermögen auszuschließen bzw. später erworbene Vermögensgegenstände oder Einkünfte entgegen § 1374 BGB dem Anfangsvermögen hinzuzurechnen und damit dem Zugewinnausgleich zu entziehen.[705] Ferner können die Ehegatten den Zeitpunkt für die Berechnung des Anfangsvermögens auch vor die Eheschließung verlegen.[706]

[703] Palandt/Brudermüller, § 1374 Rn 1.
[704] BGBl I S. 1696.
[705] Palandt/Brudermüller, § 1374 Rn 3.
[706] OLG Hamburg v. 25.2.1964 – 1 U 171/63, NJW 1964, 1076; Palandt/Brudermüller, § 1374 Rn 3.

a) Stichtage der Bewertung

 

Rz. 501

Nach § 1374 Abs. 1 BGB ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des Anfangsvermögens der Eintritt des Güterstandes. Gemäß § 1363 BGB beginnt der gesetzliche Güterstand von Gesetzes wegen mit dem Tag der Eheschließung. Maßgeblicher Stichtag für die Bewertung des Anfangsvermögens ist somit der Tag der Eheschließung, wenn die Ehegatten nicht durch ehevertragliche Regelung einen anderen Zeitpunkt vereinbart haben.

 

Rz. 502

Der Tag der Eheschließung ist als Stichtag für die Ermittlung des Anfangsvermögens im Sinne von § 1374 BGB nicht maßgebend, wenn die Ehegatten bereits vor dem 1.7.1958 geheiratet haben.[707] Dann ist gemäß Art. 8 Abs. 1 Ziff. 3 und Art. 8 Abs. 2 Ziff. 4 GleichberG der 1.7.1958 als Stichtag für die Ermittlung des Anfangsvermögens maßgeblich, auch wenn die Ehe schon davor geschlossen wurde.[708]

 

Rz. 503

Für Ehegatten, die im gesetzlichen Güterstand der ehemaligen DDR[709] gelebt und nach dem Beitritt keine Erklärung zur Fortgeltung dieses Güterstandes gemäß Art. 234 § 4 Abs. 2 EGBGB abgegeben haben, ist auf den Wert des Vermögens zum Stichtag 3.10.1990 abzustellen.[710]

[709] Gesetzlicher Güterstand der ehemaligen DDR, die Eigentums- und Vermögensgemeinschaft, war eine Errungenschaftsgemeinschaft.

b) Positives und negatives Anfangsvermögen (§ 1374 Abs. 3 BGB)

 

Rz. 504

Nach der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts am 1.9.2009 konnten Verbindlichkeiten nach § 1374 Abs. 1 BGB nur bis zur Höhe des Vermögens in Ansatz gebracht werden, so dass das Anfangsvermögen immer nur Null, nie aber negativ sein konnte. Gegen diese Gesetzeslage äußerte nicht nur das Schrifttum, sondern auch der BGH rechtspolitische Bedenken, wobei er betonte, dass nur der Gesetzgeber Abhilfe schaffen könnte.[711]

 

Rz. 505

Nach der Änderung der Gesetzeslage durch das Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts vom 6.7.2009 kam der Gesetzgeber der berechtigten Kritik der Literatur und Rechtsprechung nach, indem Verbindlichkeiten nun nicht mehr nur bis zur Höhe des Vermögens abgezogen werden, sondern gemäß § 1374 Abs. 3 BGB Verbindlichkeiten über die Höhe des Vermögens hinaus abzuziehen sind. Somit wird ein negatives Anfangsvermögen nunmehr bei der Ermittlung des Zugewinns eines Ehegatten berücksichtigt. Der Gefahr, dass die hierdurch bewirkte Erhöhung des Zugewinns und damit gegebenenfalls auch der Zugewinnausgleichsschuld zu einer Überschuldung des Ehegatten führt, ist durch die Begrenzung der Ausgleichsforderung auf die Höhe des vorhandenen Vermögens gemäß § 1378 Abs. 2 BGB Rechnung getragen.[712]

 

Rz. 506

Maßgebend für das Bestehen einer Verbindlichkeit kommt es mit Ausnahme von Dauerschuldverhältnissen auf die Entstehung am Stichtag, und nicht auf die Fälligkeit an.

 

Rz. 507

Auch das negative Anfangsvermögen muss ebenso wie das Aktivvermögen indexiert werden (siehe hierzu Rn 527).

 

Rz. 508

 

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