Rz. 9

Dauert ein Hauptverhandlungstermin in Strafsachen länger, so kann der Wahlanwalt dies nach § 14 Abs. 1 RVG bei der Bemessung seiner Terminsgebühren erhöhend berücksichtigen.[1] Der gerichtlich bestellte oder beigeordnete Anwalt hat diese Möglichkeit nicht, da Festgebühren vorgesehen sind. Im Gegensatz zum Wahlanwalt steht ihm allerdings in diesen Fällen eine zusätzliche Gebühr zu der jeweiligen Terminsgebühr zu (sog. "Längenzuschlag"), wenn die Hauptverhandlung länger als fünf oder länger als acht Stunden dauert.

 

Beispiel 3: Verteidigung in der Hauptverhandlung, mehr als fünf und acht Stunden Dauer

Der Anwalt ist als Pflichtverteidiger im Verfahren vor dem Schöffengericht bestellt. Es finden insgesamt drei Hauptverhandlungstermine statt. Der erste Termin dauert zwei Stunden, der zweite Termin dauert sechs Stunden und der dritte Termin neun Stunden.

Für jeden Hauptverhandlungstermin erhält der Anwalt eine Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV.

Für den ersten Termin verbleibt es bei dieser Gebühr, da der Termin nicht länger als fünf Stunden gedauert hat.

Der zweite Termin hat mehr als fünf, aber weniger als acht Stunden gedauert. Hier erhält der Anwalt daher neben der Terminsgebühr zusätzlich eine Gebühr nach Nr. 4110 VV.

Der dritte Termin hat mehr als acht Stunden gedauert. Hier erhält der Anwalt neben der Terminsgebühr zusätzlich eine Gebühr nach Nr. 4111 VV.

 
1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV   176,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV   145,00 EUR
3.

Terminsgebühr, Nr. 4108 VV

(1. Hauptverhandlungstermin)
  242,00 EUR
4.

Terminsgebühr, Nr. 4108 VV

(2. Hauptverhandlungstermin)
  242,00 EUR
5.

Zusätzliche Gebühr, Nr. 4110 VV

(2. Hauptverhandlungstermin)
  121,00 EUR
6.

Terminsgebühr, Nr. 4108 VV

(3. Hauptverhandlungstermin)
  242,00 EUR
7.

Zusätzliche Gebühr, Nr. 4111 VV

(3. Hauptverhandlungstermin)
  242,00 EUR
8. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.430,00 EUR  
9. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   271,70 EUR
Gesamt   1.701,70 EUR
 

Rz. 10

Um die bis dato bestehenden Streitigkeiten hinsichtlich des Längenzuschlags zu beseitigen, hat der Gesetzgeber mit dem KostRÄG 2021 in Vorbem. 4.1 VV einen neuen Abs. 3 eingefügt, der die Voraussetzungen des Längenzuschlags präzisieren und kleinlichen Streit vermeiden soll. Danach sind grundsätzlich alle Wartezeiten und Unterbrechungen an einem Hauptverhandlungstag als Teilnahme zu berücksichtigen. Ausnahmen gelten nur für Wartezeiten und Unterbrechungen,

die der Rechtsanwalt zu vertreten hat,
die jeweils mindestens eine Stunde umfassen, soweit diese unter Angabe einer konkreten Dauer der Unterbrechung oder eines Zeitpunkts der Fortsetzung der Hauptverhandlung angeordnet wurden.

Die Neufassung enthält damit eine generalisierende Regelung, die eine einfache Feststellung ermöglichen soll, ob der Tatbestand erfüllt ist.

 

Rz. 11

 

Beispiel 4: Längenzuschlag (I)

Das Gericht unterbricht die von 9.00 Uhr bis 14.35 Uhr dauernde Hauptverhandlung siebenmal für jeweils ca. 10 Minuten. Der Rechtsanwalt war die gesamte Zeit anwesend.

Der Längenzuschlag ist angefallen, weil die Unterbrechungen bei der Berechnung der Terminsdauer zu berücksichtigen sind. Insgesamt ist der Termin zwar mehr als eine Stunde unterbrochen worden. Nach dem geplanten Wortlaut ("jeweils mehr als eine Stunde") kommt es aber jeweils auf die Dauer der einzelnen Unterbrechung und nicht auf die Gesamtdauer der Unterbrechungen an.

 

Rz. 12

 

Beispiel 5: Längenzuschlag (II)

Das Gericht unterbricht die von 9.00 Uhr bis 14.35 Uhr dauernde Hauptverhandlung für eine Mittagspause, die im Ergebnis 75 Minuten dauert. Der Rechtsanwalt war die gesamte Zeit anwesend.

Der Längenzuschlag ist angefallen, weil die Unterbrechung bei der Berechnung der Terminsdauer zu berücksichtigen ist. Zwar ist der Termin mehr als eine Stunde unterbrochen worden, allerdings hat das Gericht keine konkrete Dauer der Unterbrechung angegeben oder einen Zeitpunkt der Fortsetzung der Hauptverhandlung angeordnet. Die Nichtberücksichtigung einer mehr als einstündigen Unterbrechung soll dann nicht erfolgen, wenn der oder die Vorsitzende die Hauptverhandlung für unbestimmte Zeit – etwa für eine Beratungspause – unterbricht.

 

Rz. 13

 

Beispiel 6: Längenzuschlag (III)

Das Gericht unterbricht die von 9.00 Uhr bis 14.05 Uhr dauernde Hauptverhandlung für eine Mittagspause, deren Dauer das Gericht mit 30 Minuten bestimmt. Der Rechtsanwalt war die gesamte Zeit anwesend.

Der Längenzuschlag ist angefallen, weil die Unterbrechung bei der Berechnung der Terminsdauer zu berücksichtigen ist. Es handelte sich um eine Unterbrechung von weniger als einer Stunde.

 

Rz. 14

 

Beispiel 7: Längenzuschlag (IV)

Das Gericht unterbricht die Hauptverhandlung für eine Mittagspause, deren Dauer das Gericht mit 90 Minuten bestimmt. Der Termin wird aber aus vom Rechtsanwalt nicht zu vertretenden Gründen (z.B. Verspätung des Gerichts) erst nach 120 Minuten fortgesetzt.

Es sind lediglich 90 Minuten bei der Berechnung der Terminsgebühr unberücksichtigt zu lassen. Die darüber hinaus gehenden 30 Mi...

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