Rz. 25

War der Anwalt nur in einem Verfahren zuvor als Pflichtverteidiger bestellt, so gilt die Rückwirkung nur für dieses Verfahren, es sei denn das Gericht erstreckt die Wirkung des § 48 Abs. 6 S. 1 RVG nach Verbindung gem. § 48 Abs. 6 S. 3 RVG auch auf diejenigen Verfahren, in denen vor der Verbindung keine Bestellung erfolgt war.[5] Die Erstreckung kann auch nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens noch ausgesprochen werden.[6]

 

Beispiel 14: Verbindung zweier Ermittlungsverfahren, Pflichtverteidigerbestellung nur in einem Verfahren vor Verbindung

Wie vorangegangenes Beispiel 13. Der Anwalt war vor Verbindung nur im Verfahren 2/22 als Pflichtverteidiger bestellt worden. Nach Verbindung erfolgt keine weitere Beiordnung.

Die Gebühren, die entstehen, sind die gleichen. Aus der Landeskasse erhält der Anwalt allerdings nur die Gebühren im Verfahren 2/22. In dem Verfahren 1/22 kann er seine Vergütung nur mit dem Auftraggeber abrechnen.

 
I. Vergütung aus der Landeskasse, Verfahren 2/22 (Pflichtverteidigergebühren)
a) Vorbereitendes Verfahren
1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV   176,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV   145,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 341,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   64,79 EUR
Gesamt   405,79 EUR
b) Erstinstanzliches gerichtliches Verfahren
1. Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV   145,00 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 4108 VV   242,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 407,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   77,33 EUR
Gesamt   484,33 EUR
II. Vergütung vom Auftraggeber, Verfahren 1/22 (Wahlanwaltsvergütung)
a) Vorbereitendes Verfahren
1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV   220,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV   181,50 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 421,50 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   80,09 EUR
Gesamt   501,59 EUR
b) Erstinstanzliches gerichtliches Verfahren
1. Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV   181,50 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 201,50 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   38,29 EUR
Gesamt   239,79 EUR

Wäre das Verfahren 1/22 das führende Verfahren geworden, wäre im Ergebnis nicht anders zu rechnen. Auch dann wären bis zur Verbindung die Gebühren getrennt entstanden und nach Verbindung gemeinsam. Im Verfahren 1/22 erhielte der Anwalt die Vergütung auch im vorbereitenden Verfahren, im Verfahren 2/22 dagegen nicht. Nach Verbindung erhielte er wiederum die gesamte Vergütung aus der Landeskasse.

 
I. Vergütung aus der Landeskasse, Verfahren 1/22 (Pflichtverteidigergebühren)
a) Vorbereitendes Verfahren
1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV   176,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV   145,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 341,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   64,79 EUR
Gesamt   405,79 EUR
b) Erstinstanzliches gerichtliches Verfahren nach Verbindung
1. Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV   145,00 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 4108 VV   242,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 407,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   77,33 EUR
Gesamt   484,33 EUR
II. Vergütung vom Auftraggeber, Verfahren 2/22 (Wahlanwaltsvergütung)
a) Vorbereitendes Verfahren
1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV   220,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV   181,50 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 421,50 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   80,09 EUR
Gesamt   501,59 EUR
b) Erstinstanzliches gerichtliches Verfahren
1. Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV   181,50 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 201,50 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   38,29 EUR
Gesamt   239,79 EUR
 

Rz. 26

Scheidet nach der vorstehenden Konstellation eine Erstreckung nach § 48 Abs. 6 S. 1 RVG aus, kann das Gericht nach § 48 Abs. 6 S. 3 RVG aussprechen, dass die Erstreckung nach § 48 Abs. 6 S. 1 RVG auch für das hinzu verbundene Verfahren gelte. Das ist auch noch nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens möglich.[7] Nach einem Teil der Rspr. soll die Anordnung nach § 48 Abs. 6 S. 3 RVG sogar entbehrlich sein, wenn in dem hinzu verbundenen Verfahren die Beiordnung unmittelbar bevorgestanden hatte.[8]

 

Beispiel 15: Verbindung zweier Ermittlungsverfahren, Pflichtverteidigerbestellung nur in einem Verfahren mit nachträglicher Erstreckung

Wie vorangegangene Beispiele 13 u. 14. Jedoch spricht das Gericht aus, dass die Rückwirkung des § 48 Abs. 6 S. 2 RVG sich auf das jeweils hinzuverbundene Verfahren erstrecken soll.

Jetzt kann der Anwalt alle Gebühren mit der Landeskasse abrechnen. Er erhält die gleiche Vergütung wie im Beispiel 12.

[5] KG NStZ-RR 2009, 360 = JurBüro 2009, 531 = RVGreport 2010, 64.
[6] LG Dresden RVGreport 2008, 140; offen gelassen von KG NStZ-RR 2009, 360 = RVGreport 2010, 64.
[7] LG Dresden RVGreport 2008, 140; offen gelassen von KG RVGreport 2010, 64.
[8] LG Kiel RVGprof. 2006, 202.

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