Rz. 24

War der Anwalt vor Verbindung noch in keinem Verfahren als Pflichtverteidiger bestellt, sondern wird er erst nach der Verbindung bestellt, sollte nach einer zum Teil vertretenen Auffassung die rückwirkende Erstreckung nach § 48 Abs. 6 S. 1 RVG nur für das führende Verfahren gelten, nicht aber auch für das hinzuverbundene Verfahren. Ein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse in dem anderen verbundenen Verfahren sollte nur in Betracht kommen, wenn das Gericht eine entsprechende Erstreckungsanordnung gem. § 48 Abs. 6 S. 3 RVG ausgesprochen hatte. Nach a.A. sollte sich die Beiordnung des Pflichtverteidigers auch im Falle einer Beiordnung nach Verbindung nur auf die hinzuverbundenen Verfahren, wenn eine Erstreckung nach § 48 Abs. 6 S. 3 RVG ausgesprochen worden ist. Der Gesetzgeber hat dieses Problem zwischenzeitlich mit einer Ergänzung von § 48 Abs. 6 S. 3 RVG dahingehend geklärt, dass die Wirkungen des § 48 Abs. 6 S. 1 RVG für alle verbundenen Verfahren gelten und nicht nur für das führende Verfahren. Einer gesonderten Erstreckung nach § 48 Abs. 6 S. 3 RVG bedarf es in diesen Fällen also nicht (mehr).

 

Beispiel 13: Verbindung zweier Ermittlungsverfahren, Pflichtverteidigerbestellung erst nach Verbindung

Gegen den Mandanten wird wegen des Verdachts eines Betruges (Az. 1/22) und wegen des Verdachts eines Diebstahls (Az. 2/22) zunächst getrennt ermittelt. Beide Taten werden angeklagt. Die Hauptverfahren werden eröffnet. Nachdem in beiden Verfahren bereits ein Hauptverhandlungstermin stattgefunden hat und die Hauptverhandlung jeweils ausgesetzt worden ist, werden beide Verfahren verbunden (führend ist das Verfahren 2/22). Es findet hiernach ein weiterer Hauptverhandlungstermin im verbundenen Verfahren statt, in dem das Urteil gesprochen wird.

Bis zur Verbindung entstehen die Gebühren getrennt, also jeweils eine Grundgebühr und eine Verfahrensgebühr im Ermittlungsverfahren sowie eine Verfahrensgebühr und eine Terminsgebühr im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren. Nach der Verbindung entsteht eine weitere Terminsgebühr. Die Bestellung wirkt in beiden Verfahren nach § 48 Abs. 6 S. 1 RVG auf das jeweilige Ermittlungsverfahren zurück. Der Anwalt erhält also die gesamte Vergütung aus der Landeskasse.

 
I. Verfahren 1/22
a) Vorbereitendes Verfahren
1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV   176,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV   145,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 341,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   64,79 EUR
Gesamt   405,79 EUR
b) Erstinstanzliches gerichtliches Verfahren
1. Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV   145,00 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 4108 VV   242,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 407,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   77,33 EUR
Gesamt   484,33 EUR
II. Verfahren 2/22
a) Vorbereitendes Verfahren
1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV   176,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV   145,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 341,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   64,79 EUR
Gesamt   405,79 EUR
b) Erstinstanzliches gerichtliches Verfahren
1. Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV   145,00 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 4108 VV   242,00 EUR
3. Terminsgebühr, Nr. 4108 VV   242,00 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 649,00 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   123,31 EUR
Gesamt   772,31 EUR

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