Rz. 175

Der Selbstanfechtung von vertraglich bindend gewordenen Verfügungen durch den Erblasser selbst kommt in der Praxis einige Bedeutung zu.[134] Trotz des Beurkundungszwanges und der damit verbundenen Belehrung sind sich Erblasser nicht immer im Klaren über die Reichweite der von ihnen eingegangenen vertraglichen Bindung. Hinzu kommt – und diese Kritik sei erlaubt –, dass auch juristische Berater nicht selten zum Institut des Erbvertrags greifen, obwohl dies nicht unbedingt notwendig wäre. Man denke nur an viele Ehegattenerbverträge, die bei genauerem Hinsehen sinnvollerweise als gemeinschaftliche Testamente hätten beurkundet werden sollen, bei denen man aber aus Kostengründen einen Erbvertrag gewählt hat, der mit einem Ehevertrag verbunden wurde im Hinblick auf die bis 31.7.2013 geltende Vorschrift des § 46 Abs. 3 KostO. Dies wird auch für einen mit einem Erbvertrag verbundenen Lebenspartnerschaftsvertrag gelten (§ 7 LPartG). Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.7.2017[135] zum 1.10.2017 sind gleichgeschlechtliche Partner Eheleuten gleichgestellt.

 

Rz. 176

§ 2281 Abs. 1 BGB gewährt dem Erblasser eine Anfechtungsmöglichkeit, deren Tatbestände grundsätzlich dieselben sind wie bei der Testamentsanfechtung, §§ 2281, 2078, 2079 BGB. Dies ist ein entscheidender Unterschied zum Anfechtungsrecht beim Einzeltestament. Dort kann der Erblasser jederzeit seine Erklärung widerrufen, deshalb hat er selbst kein Anfechtungsrecht; vielmehr kann dies nur Dritten zustehen (§ 2080 BGB). Dies hat andererseits aber auch zur Folge, dass der Erblasser einseitig im Erbvertrag (§ 2299 BGB) getroffene Verfügungen nicht anfechten kann, weil ihm insoweit ebenfalls die Widerrufsmöglichkeit offensteht (§§ 2299 Abs. 2, 2253 ff. BGB).

 

Rz. 177

Da es beim Erbvertrag verschiedene Vertragstypen gibt, ist eine Einzelbetrachtung erforderlich. So geht das Gesetz im Allgemeinen vom einseitigen Erbvertrag aus (§ 2274 BGB), es kennt jedoch auch die Sonderform des Ehegattenerbvertrags (§§ 2280, 2292 BGB) und sonstige zweiseitige Erbverträge (§ 2298 BGB).

[134] Vgl. hierzu ausführlich Krebber, DNotZ 2003, 20.
[135] BGBl I 2017, 2787.

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