Rz. 111

Mit Wirkung vom 1.7.1998 wurden die Vorschriften über das Recht der Legitimation und der Ehelicherklärung nichtehelicher Kinder durch das KindRG aufgehoben.[55] Infolgedessen ist für die vor dem 1.7.1949 geborenen und seit dem 1.4.1998 erbrechtlich noch nicht mit ehelichen Abkömmlingen gleichgestellten, nichtehelichen Kinder die Möglichkeit weggefallen, aufgrund Ehelicherklärung oder Legitimation die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes und damit auch ein Erbrecht im Verhältnis zum Vater und den väterlichen Verwandten zu erlangen.

 

Rz. 112

Bei der Aufhebung der Vorschriften über die Legitimation wurde seitens des Gesetzgebers unberücksichtigt gelassen, dass es im Einzelfall auch noch nach fünfzig Jahren zu einer Heirat der Eltern eines vor dem 1.7.1949 geborenen nichtehelichen Kindes kommen kann und dann eine Legitimation des Kindes bei Heirat der Eltern nach dem 30.6.1998 wegen fehlender Rechtsgrundlage nicht mehr möglich ist. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist dies mit Art. 6 Abs. 5 GG nicht vereinbar, weshalb in diesen Fällen nach wie vor vom Eintritt der Legitimationswirkungen mit den entsprechenden erbrechtlichen Konsequenzen auszugehen ist, auch wenn das Bundesverfassungsgericht keinen konkreten Weg für eine verfassungskonforme Lösung dieser (sicher sehr seltenen) Fälle aufgezeigt hat.[56]

 

Rz. 113

Damit hat das nichteheliche Kind dem Grunde nach die gleiche erbrechtliche Stellung erlangt, wie ein eheliches Kind.

 

Rz. 114

Von diesem Grundsatz, dass sämtliche nichtehelichen Kinder nach dem Vater und der Vater auch nach seinem Kind verwandt und erbberechtigt sind, weicht jedoch noch immer Art. 12 § 1 Abs. 1 NEhelG a.F. ab. Demzufolge haben nichteheliche Kinder, die vor dem 1.7.1949 geboren wurden, weder ein Erb- noch ein Pflichtteilsrecht nach ihrem Vater und auch nicht nach dessen Verwandten. Dies gilt auch in umgekehrter Weise und kollidiert laut BGH auch nicht mit der Rechtsprechung des EGMR, die zur Änderung des Nichtehelichenerbrechts geführt hat, da nach Auffassung des Senats der Gesetzgeber nicht verpflichtet war, die Rechtslage vor der Verkündung der EGMR-Entscheidung vom 28.5.2009 zu ändern.[57]

 

Rz. 115

Ausnahmen:

Ab dem 1.7.1998 war es möglich, mit einem vor dem 1.7.1949 nichtehelich geborenen Kind eine sogenannte "Gleichstellungsvereinbarung" (Art. 12 § 10a Abs. 3 S. 1 NEhelG) zu schließen, die die bestehende Ausschlusswirkung des Art. 12 § 10 Abs. 2 S. 1 NEhelG kompensieren sollte.[58] Bei Vorliegen einer solchen Vereinbarung hat dann das vor dem 1.7.1949 geborene nichteheliche Kind ein volles Erb- und Pflichtteilsrecht nach seinen väterlichen Verwandten und umgekehrt.[59]
Als weitere Ausnahme, nach der ein vor dem 1.7.1949 nichtehelich geborenes Kind dennoch ein volles Erbrecht haben konnte, sind die Fälle des Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB zu nennen, bei denen der Erblasser am 2.10.1990 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatte und die auch weiterhin zu berücksichtigen sind (vgl. vorstehende Ausführungen zum Zeitraum 3.10.1990 bis 31.3.1998).
[55] Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsrechtsreformgesetz – KindRG) v. 16.12.1997, BGBl I, 2942.
[56] BVerfG v. 8.1.2009 – 1 BvR 755/08, ZErb 2009, 122 = NJW 2009, 1065 = ZEV 2009, 134 m. Anm. Herrler.
[57] BGH v. 26.10.2011 - IV ZR 150/10, NJW 2012, 231 = Rpfleger 2012, 75 = ZEV 2012, 32.
[58] Rauscher, ZEV 1998, 41.
[59] Bestelmeyer, FamRZ 1999, 970.

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