Rz. 279

Voraussetzung für eine Feststellung des Bedarfs als Sonderbedarf ist, dass es sich um einen

unregelmäßigen
außergewöhnlich hohen Bedarf handelt, wobei
eine angemessene Lastenverteilung zwischen dem Verpflichteten und Berechtigten gewahrt bleiben muss.

Regelmäßig außergewöhnlich hoher Bedarf, z.B. wegen Behinderung und unregelmäßiger, nicht außergewöhnlich hoher Bedarf, beispielsweise für Unterrichtsmaterialien zum Schuljahresbeginn, gehören nicht dazu.

 

Rz. 280

Nach Rechtsprechung des BGH[307] muss ein solcher Bedarf überraschend auftreten und der Höhe nach nicht abschätzbar sein.

An den überraschenden Auftritt und der fehlenden Abschätzbarkeit dürfen allerdings nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden.[308] Sonderbedarf ist danach die

in einem konkreten Einzelfall auftretende Bedarfserhöhung,
die von der sonstigen Bemessung des laufenden Unterhalts nicht erfasst wird.

Im Einzelfall ist zu entscheiden, ob und in welcher Höhe dem Berechtigten zugemutet werden kann, den Sonderbedarf selbst zu bestreiten.[309]

 

Rz. 281

Sonderbedarf stellen daher beispielhaft folgende Fälle dar:[310]

Von der Krankenkasse nicht übernommene Kosten der stationären Behandlung;[311]
Kosten einer Kur;[312]
Erstausstattung des Säuglings;[313]
Verfahrenskostenvorschuss;[314]
Vaterschaftsanfechtungsverfahren;[315]
Evtl.: Lern- und Arbeitsmittel;[316]
Evtl.: Wohnbereich;[317]
Evtl. Sport und Urlaub.[318]
 

Rz. 282

Keinen Sonderbedarf stellen dar:

Rezeptgebühr;
Diätkosten;
Klassenfahrten[319]
Kindergartenbeiträge[320]
Konfirmationskosten.[321]
 

Rz. 283

Zu den einzelnen Voraussetzungen:

1.

Unregelmäßig ist ein plötzlich auftretender und nicht hinreichend voraussehbarer Bedarf, bei dem für die Beteiligten eine vorausschauende Bedarfsplanung nicht möglich war.

Entscheidend wird darauf abgestellt werden müssen, ob aus Sicht der Beteiligten bei objektiver Betrachtungsweise solche Ausgaben hätten einkalkuliert werden können.[322] Eine Umlegung auf einen längeren Zeitraum ist dann nicht möglich, wenn der Sonderbedarf einmalig anfällt und dann fällig ist.[323]

2. Außergewöhnlich hoch ist ein Bedarf, wenn er nicht in zumutbarer Weise aus dem laufenden Unterhalt gezahlt werden kann. Es muss sich dabei um einen nicht unwesentlichen Prozentsatz des laufenden Monatseinkommens handeln.[324]
3. Bei der Zubilligung des Sonderbedarfs ist eine angemessene Lastenverteilung zu prüfen.[325]

Es kann daher die Situation eintreten, dass sich sowohl der Verpflichtete als auch der Berechtigte anteilig an den Kosten zu beteiligen haben.

 

Rz. 284

Da es sich bei Sonderbedarf um plötzlich auftretenden und nicht voraussichtlichen Bedarf handelt, ist der Berechtigte verpflichtet, den Unterhaltspflichtigen unverzüglich zu informieren. Der Berechtigte läuft ansonsten Gefahr, dass der Pflichtige zu Recht einwendet, anderweitige Dispositionen getroffen zu haben bzw. nicht in der Lage gewesen zu sein, Rücklagen zu bilden.[326]

 

Rz. 285

Der Anspruch auf Ausgleich des Sonderbedarfs entsteht spätestens mit der Zahlungsfälligkeit.[327]

Ist er vorher bezifferbar, entsteht er mit der Möglichkeit der Bezifferung der Höhe nach. Um Sonderbedarf zahlen zu können, muss der Verpflichtete zu diesem Zeitpunkt leistungsfähig sein, da er zu diesem Zeitpunkt zahlen muss bzw. entsprechende Rücklagen bilden muss, um den Anspruch zu erfüllen.

[307] BGH FamRZ 1982, 145; BGH FamRZ 2006, 612 m. Anm. Luthin.
[308] Vgl. Johannsen/Henrich/Graba, § 1613 Rn 12.
[309] BGH FamRZ 1982, 145.
[310] Ausführliche Übersicht zur Rechtsprechung in Einzelfällen in Weinreich/Klein/Eder, § 1613 Rn 86 ff.
[311] BGH FamRZ 1982, 145; OLG Frankfurt/M. FamRZ 2011, 570.
[312] OLG Köln FamRZ 1986, 593.
[314] OLG Brandenburg FmRZ 2019, 1154.
[315] BGH FamRZ 1988, 387;
[316] BGH FamRZ 2001, 1603 (Musikunterricht zur Förderung des musikalischen Talents).
[317] BGH a.a.O. (klaviergerechte Wohnung).
[318] OLG Braunschweig FamRZ 1995, 1010 (sportliche Aktivitäten); KG FamRZ 2003,1584 (Reisen).
[319] OLG Hamm NJW 2011, 1087; Weinreich/Klein/Eder, § 1613 Rn 84.
[321] BGH FamRZ 2006, 612 m. Anm. Luthin.
[323] BGH FamRZ 1982, 145.
[324] OLG Hamm FamRZ 1993, 995; Johannsen/Henrich/Büttner, § 1361 Rn 123: Jedenfalls mehr als 10 %.
[325] BGH FamRZ 1982, 145, 147.
[326] OLG Hamm FamRZ 1994, 1281.
[327] OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 1166.

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