Rz. 263

Bei außergewöhnlich guten Einkommensverhältnissen bedarf es jedoch einer konkreten Bemessung des eheangemessenen Unterhalts. Von einer bestimmten Einkommenshöhe an ist die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass die Eheleute das zur Verfügung stehende Einkommen nicht vollständig dem Konsum widmen, sondern Vermögensbildung betreiben.[279]

Da die Höhe des dem Konsum zugeführten Einkommens individuell sehr unterschiedlich sein kann, ist ab einer bestimmten Größenordnung eine konkrete Bedarfsberechnung, orientiert an den ehelichen Lebensverhältnissen, durchzuführen. Der Unterhaltsberechtigte muss seinen Bedarf im Einzelnen darlegen.[280]

 

Rz. 264

Nahezu einheitliche Auffassungen bestehen in der Rechtsprechung und in der Orientierung der unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Oberlandesgerichte nunmehr darüber, ab wann eine konkrete Bedarfsberechnung vorgenommen werden sollte.

Der BGH hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2017[281] gebilligt, eine konkrete Bemessung des Unterhaltsbedarfs erst dann zu verlangen, wenn dieser den Bedarf der Eheleute auf der Grundlage des Einkommens nach der höchsten Stufe der Düsseldorfer Tabelle um das Doppelte übersteigt.

Dies ist immer dann der Fall, wenn der Gesamtbedarf des Berechtigten den Betrag von derzeit 4.950 (45 % von 11.000 EUR) übersteigt.[282] Die Düsseldorfer Tabelle hat dies für das Jahr 2022 berücksichtigt und eine Fortschreibung der höchsten Einkommensstufe von 5.500 EUR auf ein Einkommen von 11.000 EUR vorgenommen.

In einer Entscheidung vom 29.9.2021 geht der BGH darüber hinaus davon aus, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte das Wahlrecht zwischen konkreter Bedarfsberechnung und Quotenunterhalt hat und die Gerichte an diese Wahl gebunden sind.[283]

 

Rz. 265

Bei einer ggf. notwendigen konkreten Bedarfsbemessung sind alle zur Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards benötigten Lebenshaltungskosten konkret zu ermitteln.[284] Dazu zählen u.a. die Aufwendungen für das

Haushaltsgeld,
Wohnen,
Kleidung,
Geschenke,
Putzhilfe,
Reisen,
Urlaub,
sportliche Aktivitäten,
kulturelle Bedürfnisse,
Pkw-Nutzung,
Vorsorgeaufwendungen,
Versicherungen und
sonstige notwendige Lebenshaltungskosten.[285]
 

Rz. 266

Born hat zur Bestimmung konkreter Aufwendungen eine sehr ausführliche Checkliste wie folgt vorgeschlagen:[286]

I.

Essen und Trinken

Wöchentlicher Einkauf (Supermarkt)
Restaurant, auswärtiges Essen
Besonderer Mehrbedarf, z.B. Diät
II.

Kleidung

Anschaffung und Reinigung von Oberbekleidung
Unterwäsche
Schuhe
Mode
Schmuck
III.

Körperpflege

Friseur
Kosmetik (Produkte, Studio)
Parfüm
IV.

Haushalt und Wohnen

Anschaffungen für Hausrat
Zeitung
Müllabfuhr
Porto
Telefon, Handy, PC
TV und Radio (GEZ)
Garage
Miete und Nebenkosten (Heizung, Strom, Versicherung pp)
Haustiere (Futter, Tierarzt, Versicherung)
Instandhaltung, Reparaturaufwendungen
Gärtner, Haushaltshilfe, Kindermädchen
V.

Kultur und soziales Leben

Theater/Oper
Kino
Museum
Bücher und Zeitschriften
Kosten für Einladungen und Geschenke
VI.

Sport und Freizeit

Mitgliedsbeiträge
Trainerstunden
Sportbekleidung (Anschaffung und Ersatz)
Materialverbrauch
Besondere Kosten (z.B. Turnier- und Meldegebühren)
VII.

Urlaub

Reisekosten
Kosten der Unterkunft
Zusatzausgaben vor Ort
Club-Gebühren
Städte- und Kulturreisen
VIII.

Kraftfahrzeug

Steuer und Versicherung
Reparaturen und Inspektionen
Benzin
41. Rücklage für Neuanschaffung
Leasing-Rate
Mitgliedsbeitrag (z.B. ADAC)
IX.

Versicherungen

Krankenkasse (Mitgliedsbeitrag)
Krankenkasse (Selbstbeteiligung)
Krankenzusatzversicherung
Lebensversicherung
Unfallversicherung
Rechtsschutzversicherung
Haftpflichtversicherung (soweit nicht für Kfz)
X.

Sonstiges

Persönliche Weiterbildung
Vorsorgeaufwendungen Alter
Steuerberater
Bankgebühren
Beiträge zu Vereinigungen, Spenden
 

Rz. 267

Ein Rückschluss von den Gesamtausgaben für die Familie während des ehelichen Zusammenlebens auf den konkreten Bedarf der Ehefrau ist nur begrenzt auf allgemeine Ausgabenpositionen möglich (z.B. Pos. I. Essen und Trinken). Im Übrigen ist individuell auf die Bedürfnisse des Unterhaltsgläubigers bezogen darzulegen und exemplarisch nachzuweisen, in welcher Höhe Ausgaben vorhanden sind.

Die Anforderungen an den Nachweis sind jedoch nicht zu überspannen. Es genügt, wenn der Unterhaltsbedürftige die einzelnen Bedarfspositionen in der Weise überschlägig darstellt, dass das Gericht sie nach § 287 ZPO schätzen kann.[287]

 

Rz. 268

 

Beispiel für eine konkrete Unterhaltsberechnung

 
Art   Euro Bemerk.
Wohnbedarf   800  
Strom 65    
Gas/Heizung 125    
Abfall 25    
Abwasser 60    
Wasser 15    
GEZ 15    
Telekom 40    
Kabel 15 360  
 
Allg. Lebensbedarf[288]   1.500  
Zeitung/Bücher[289]   100  
Handy[290]   50  
Sport[291]   100  
Friseur/Kosmetik[292]   200  
Bekleidung[293]   400  
Urlaub[294]   500  
Kultur/Theater[295]   100  
Restaurant/Einladungen[296]   150  
Kfz[297]   500 Golf lt. ADAC-Tabelle
Tanken[298]   1...

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