Rz. 122

Eine Trennung i.S.d. § 1567 Abs. 1 BGB zu vollziehen ist nicht mehr einfach, wenn beide Ehegatten gemeinsam in einer ehelichen Wohnung wohnen, diese im Alleineigentum des Trennungswilligen oder im Miteigentum der Ehegatten steht und der eine Ehegatte sich trennen, der andere aber die eheliche Lebensgemeinschaft aufrecht erhalten möchte. Für diese Fälle gab es bis zum 31.8.2009 die Möglichkeit einer Klage auf Feststellung des Rechts zum Getrenntleben vor dem Familiengericht.[144] Seit dem 1.9.2009 gibt es diese Klagemöglichkeit nicht mehr. Es verbleibt dem Trennungswilligen nur noch, die räumliche Trennung selbst herbeizuführen, wofür es im Einzelfall verschiedene Möglichkeiten gibt.

[144] FormB FA-FamR/Friederici Kap.1 Rn 61.

1. Auszug aus der gemeinsamen Wohnung

 

Rz. 123

Der Trennungswillige kann selbst aus der Wohnung ausziehen. Wichtig ist in diesem Fall die Beachtung des § 1361b Abs. 4 BGB. Denn kündigt der Ausziehende nicht innerhalb von sechs Monaten nach Auszug seinen ernsthaften Rückkehrwillen an, wird gesetzlich unwiderleglich vermutet, dass er dem anderen die Wohnung zur alleinigen Nutzung überlassen hat.

 

Rz. 124

Die regelmäßig geäußerte Sorge des Ausziehenden, der Auszug aus der gemeinsamen Wohnung sei gleichbedeutend mit einem Verzicht auf das Sorge- oder Umgangsrecht bezüglich gemeinsamer Kinder, kann entkräftet werden durch einen Verweis auf § 1671 BGB. Im Falle der Trennung und der bestehenden gemeinsamen Sorge kann von einem Elternteil beantragt werden, die elterliche Sorge ganz oder zum Teil auf ihn zu übertragen. Das Gesetz geht auch im Falle der Trennung grundsätzlich davon aus, dass die elterliche Sorge im Ganzen, also das Aufenthaltsbestimmungsrecht inbegriffen, weiterhin bei beiden Elternteilen gemeinsam verbleibt.

 

Rz. 125

 

Hinweis

Verweigert ein Ehegatte die Trennung, kann derjenige, der die Trennung wünscht, aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen.

Es ist dann auf die Mitteilung des ernsthaften Rückkehrwillens innerhalb von sechs Monaten ab Auszug zu achten, wenn der Ausziehende tatsächlich vorhat, in die eheliche Wohnung zurückzukehren. Unterlässt er diese Mitteilung, wird vom Gesetz unwiderleglich vermutet, dass er dem anderen Ehegatten die Wohnung überlässt.

Der Auszug aus der gemeinsam genutzten Ehewohnung hat keine rechtlichen Folgen für das Sorge- und Umgangsrecht hinsichtlich gemeinsamer minderjähriger Kinder.

2. Wohnungszuweisung nach § 1361b BGB

 

Rz. 126

§ 1361b BGB gibt dem Ehegatten, der sich trennen möchte bereits aufgrund der bloßen Trennungsabsicht, gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Überlassung der Ehewohnung. Allerdings setzt dieser Anspruch voraus, dass die Überlassung der Ehewohnung dazu dient, eine unbillige Härte zu vermeiden.

 

Rz. 127

Aufgrund des Schutzbereichs der Norm ist eine unbillige Härte immer nur dann anzunehmen, wenn das gemeinsame Bewohnen der Ehewohnung wegen eines gestörten Verhältnisses der Beteiligten untragbar ist. Es dürfen nicht bloße Unannehmlichkeiten oder Belästigungen, die in einer zerrütteten Ehe regelmäßig auftreten, vorliegen. Auch wirtschaftliche Interessen spielen keine Rolle. Stattdessen geht es nur um die bei Gewalttaten beziehungsweise deren Androhung betroffenen Rechtsgüter wie Körper, Gesundheit oder Freiheit, die durch das gemeinsame Zusammenleben in der Ehewohnung beeinträchtigt werden müssen.[145] Stets sind aber die Belange der im Haushalt lebenden Kinder zu berücksichtigen.

 

Rz. 128

Letztlich bedeutet das, dass ein Anspruch auf Wohnungszuweisung für den Trennungswilligen gegen den sich weigernden Ehegatten realistisch nur in Betracht kommt, wenn dieser physische oder psychische Gew alt angewandt beziehungsweise die Anwendung der Gewalt ernsthaft angedroht hat. Anderes gilt nur bei Vorhandensein von Kindern. Dann muss der die Wohnung beanspruchende Ehegatte vortragen, dass ein erträgliches Auskommen der Familie unter einem Dach nicht möglich ist und er selbst die Kinder betreuen wird. Denn das Interesse der Kinder an einer geordneten, ruhigen und entspannten Familiensituation hat Vorrang vor den Interessen der Eltern, weiter in der Wohnung verbleiben zu können.[146]

 

Rz. 129

 

Hinweis

Eine Wohnungszuweisung nach § 1361b BGB kann nur in Erwägung gezogen werden, wenn die Überlassung der Ehewohnung an den anderen Ehegatten eine unbillige Härte darstellen würde.

Haben die trennungswilligen Ehegatten gemeinsame Kinder, muss der die Wohnung beanspruchende Ehegatte vortragen, dass die Kinder bei ihm bleiben und ein erträgliches Auskommen der Familie unter einem Dach nicht mehr möglich ist.

[145] OLG Köln, Beschl. v. 8.4.2005 – 4 UF 68/05, Rechtsprechungsdatenbank NRW (NRWE), openJur 2011, 35005, FamRZ 2006, 126 (LS).
[146] OLG Köln FamRZ 2013, 134.

3. Wohnungszuweisung nach Gewaltschutzgesetz

 

Rz. 130

Ein Anspruch auf Zuweisung der Ehewohnung nach § 2 Abs. 1 GewSchG besteht ebenfalls nur, wenn es um die Verletzung von Körper, Gesundheit oder Freiheit beziehungsweise deren konkrete Gefährdung geht. Im Gegensatz zu § 1361b BGB muss zudem noch Wiederholungsgefahr bestehen. Strenggenommen muss es in der Vergangenheit bereits zu einer Verletzung der betroffenen Re...

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