Rz. 142

Hat der Bevollmächtigte ohne gültige oder außerhalb einer bestehenden Vollmacht gehandelt, muss der Vollmachtgeber zunächst beweisen, dass der Bevollmächtigte "etwas" aus seinem Vermögen "er langt hat". Dieser Beweis wird meist leicht zu führen sein. Auch in den nicht seltenen Fällen, in denen der Bevollmächtigte Geld abhebt, um es Dritten (vorzugsweise seinen Kindern) zu überweisen, geht die Rechtsprechung von einem "Durchgangserwerb" aus, der dem Bevollmächtigten zuzurechnen ist.[72]

Außerdem besteht daneben ein Anspruch unmittelbar gegen den so beschenkten Dritten, der erkennt, dass die Schenkung nicht aus dem Vermögen des Bevollmächtigten stammt.[73] Wenngleich der BGH betont, dass bereicherungsrechtliche Fälle mit mehr als zwei Personen nicht schematisch betrachtet werden können,[74] rechtfertigen es die Aspekte der Risikoverteilung und des Vertrauensschutzes, dass der Dritte unmittelbar haftet.[75]

 

Rz. 143

Wie aber soll der Vollmachtgeber beweisen, dass der Bevollmächtigte dies "ohne rechtlichen Grund" erlangt hat? Im Grundsatz gilt, dass der Schuldner auch dieses Tatbestandsmerkmal beweisen muss, ihm aber durch die Konstruktion der sog. "sekundären Darlegungslast" der Beweis erleichtert wird. Fast immer wird als Rechtsgrund von Seiten des Bevollmächtigten behauptet, der Vollmachtgeber habe ihm den Gegenstand geschenkt. Es kommt also entscheidend darauf an, wer hierfür die Beweislast trägt.

 

Rz. 144

 

Beispiel

Die Vollmachtgeberin erteilt ihrer Tochter eine formularmäßige Bankvollmacht. Damit hat die Tochter in der Folgezeit ein Wertpapierdepot aufgelöst, den Erlös auf das Sparkonto der Mutter gutschreiben lassen und das Guthaben schließlich vollständig aufgelöst. Die Mutter wird kurz darauf zum Pflegefall, der eingesetzte Berufsbetreuer stellt die Verfügungen der Tochter fest und verlangt die Rückzahlung. Die Tochter verweigert dies mit der Begründung, die Mutter habe ihr das Geld geschenkt.[76]

 

Rz. 145

Der BGH hat in diesem Fall entschieden, dass die Tochter das Geld zurückzahlen müsse, weil sie den Rechtsgrund der Schenkung nicht beweisen könne. In der Entscheidung werden die Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast nochmals klar herausgearbeitet:

Zitat

"Dafür, dass die herausverlangte Vermögensmehrung ohne Rechtsgrund besteht, trägt grundsätzlich der Kläger die Darlegungs- und Beweislast. Dieser Grundsatz gilt auch, soweit sogenannte negative Umstände wie das Fehlen eines Rechtsgrundes anspruchsbegründend sind. Jedenfalls dann, wenn geklagt wird, weil der Beklagte in anderer Weise als durch Leistung des Klägers etwas auf dessen Kosten ohne rechtlichen Grund erlangt habe, kann allerdings hinsichtlich der Darlegungslast eine Erleichterung für den Anspruchsteller bestehen. Derjenige, der im Prozess die Herausgabepflicht leugnet, kann nämlich gehalten sein, die Umstände darzulegen, aus denen er ableitet, das Erlangte behalten zu dürfen. Denn jede Partei hat in zumutbarer Weise dazu beizutragen, dass der Prozessgegner in die Lage versetzt wird, sich zur Sache zu erklären und den gegebenenfalls erforderlichen Beweis anzutreten."[77]

 

Rz. 146

Eine Beweislastumkehr zugunsten des Vollmachtgebers ist damit freilich nicht verbunden, es besteht eine sog. "sekundäre Behauptungslast". Der BGH stellt einerseits klar, dass das bloße Vorhandensein einer Bankvollmacht nichts über die Befugnisse im Innenverhältnis aussagt. Andererseits muss der Bevollmächtigte für die Tatsache des Schenkungsversprechens, das ein Wissen und Wollen des Vollmachtgebers beinhaltet, nicht den Vollbeweis erbringen:

Zitat

"Gerade in diesem Zusammenhang können allerdings zum einen mittelbare Tatsachen beweiserheblich sein, wenn sie geeignet sind, Rückschlüsse darauf zuzulassen, dass der Handlung, die in die fremde Rechtsposition eingreift, ein Schenkungsversprechen zugrunde liegt. Zum anderen können Erfahrungssätze die freie Beweiswürdigung bestimmen. So kann es vor allem in Betracht kommen, zugunsten des angeblich Beschenkten auf eine bestehende Erfahrung abzustellen, wenn eine Anstandsschenkung und deren Bewirken durch eine Handlung des angeblich Beschenkten infrage stehen."[78]

 

Rz. 147

Wenngleich die BGH-Entscheidung dogmatische Schwächen aufweist und dem Bevollmächtigten durch den Vortrag von "mittelbaren Tatsachen" und damit verbundenen "Erfahrungssätzen" eine Argumentationsgrundlage zugebilligt wird, dürfte diese Entscheidung die Rechtsposition des Vollmachtgebers und seiner Erben deutlich verbessern.[79]

 

Rz. 148

Andererseits führt die Weigerung des BGH, sich zu einer klaren Beweislastregel zu bekennen, zu einer Tendenz, die Darlegungs- und Beweislast allein danach zu orientieren, was den Parteien zumutbar ist.[80]

Die Entscheidung ist in der Literatur mehr auf Ablehnung[81] als auf Zustimmung gestoßen.

Ob der BGH zukünftig dieser Linie treu bleibt, ist abzuwarten. Unter Verweis darauf, dass Beweiserleichterungen nicht im Einzelfall zuzubilligen sind, sondern nach allgemeinen beweisrechtlichen Grundsätzen auf Ausnahmen zu beschränken sind, in...

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