1. Wirtschaftliche Bedeutung

 

Rz. 104

Die Prozesskostenhilfe trägt die Gerichtskosten gemäß § 122 ZPO[131] und die Rechtsanwaltskosten des eigenen Anwaltes nach § 45 RVG. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe schützt nicht vor Kostenerstattungsansprüchen der Gegenseite, § 123 ZPO. Da Kostenerstattungsansprüche beim erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Verfahren nach § 12a ArbGG nur in einem engen Rahmen entstehen können, wird der fehlende Schutz vor Kostenerstattungsansprüchen der Gegenseite im Arbeitsrecht regelmäßig erst nach einem zweitinstanzlichen Urteil relevant.

 

Rz. 105

Wegen des langen Zeitablaufes zwischen der Entscheidung, mit Prozesskostenhilfe zu klagen und der fehlenden Relevanz der Bewilligung von Prozesskostenhilfe hinsichtlich der gegnerischen Kostenerstattungsansprüche kann es vorkommen, dass die prozesskostenarme Partei sich später an die Belehrungen des Rechtsanwaltes zur Bedeutung und zum Umfang der Prozesskostenhilfe nicht mehr erinnern kann. Für den Rechtsanwalt ist es deswegen wichtig, dass er die Belehrung schriftlich dokumentiert hat. Dazu genügt, dass der Erläuterungsteil zum Prozesskostenhilfeformular dem Mandanten ausgehändigt worden und dies in der Akte dokumentiert ist.

 

Rz. 106

Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe bewirkt, dass die beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht geltend machen können (§ 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Dennoch müssen sie nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 BRAO diese Vertretung übernehmen.

 

Rz. 107

Durch die Reform der Prozesskostenhilfe mit Gesetz vom 31.8.2013 ist das Kriterium der Mutwilligkeit in § 114 Abs. 2 ZPO legal definiert worden. Die von der Rechtsprechung entwickelte Definition wurde dabei um das Kriterium der "verständigen Würdigung aller Umstände" ergänzt. Dieses Kriterium soll die Prozesskostenhilfe insbesondere ausschließen, wenn die Gerichts- und Rechtsanwaltskosten deutlich höher sind als der Streitwert des Streitgegenstandes.[132] Diese Ansicht mag jedoch insbesondere dann nicht zu überzeugen, wenn der Antragssteller der Kläger ist und bei objektiver Betrachtung sein Anspruch sicher besteht. In diesen Fällen würde auch eine selbstzahlende Partei den Rechtsweg beschreiten, da im sehr wahrscheinlichen Fall des Obsiegens ihre gerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren von der Gegenseite zu erstatten sind. Allerdings ist für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren § 12a ArbGG zu beachten, wonach bei Streitwerten bis 500 EUR erstinstanzlich 169,58 EUR Anwaltsvergütung inkl. Umsatzsteuer anfallen. Mutwilligkeit i.S.v. § 114 Abs. 2 ZPO kann daher bei einmaligen Forderungen bis 100 EUR brutto angenommen werden. Rechtswidrige Vermögensnachteile werden auch vermögende Mandanten nicht einfach hinnehmen, sondern aus Gründen des Respekts und der Achtung ihrer persönlichen Interessen das Durchsetzen der Rechtsordnung mit dem Differenzbetrag vergüten.

 

Rz. 108

§ 120a ZPO regelt die Änderung der Bewilligung. Die gemäß § 120a Abs. 2 S. 4 ZPO erforderlichen Belehrungen erfolgen durch das gemäß § 117 Abs. 3 S. 2 ZPO vorgeschriebene Formular zum Beantragen von Prozesskostenhilfe.[133]

[131] Bewilligte Prozesskostenhilfe bewirkt keine Haftung der Gegenseite bei den Gerichtskosten, § 31 Abs. 3 GKG.
[132] Schrader/Siebert, NZA 2014 348, 348.
[133] Siehe auch Prozesskostenhilfeformularverordnung (PKHFV) v. 6.1.2014.

2. Vorschüsse und Prozesskostenhilfe

a) Vorschüsse vom Mandanten

 

Rz. 109

Erst die Bewilligung von Prozesskostenhilfe verbietet dem Anwalt, vom Mandanten einen Vorschuss nach § 9 RVG zu fordern. Erst seine Beiordnung verpflichtet den Anwalt zur Vertretung. Solange Prozesskostenhilfe lediglich beantragt ist, kann der Anwalt seine Partei um einen Vorschuss bitten. Erhält der Anwalt dann diesen Vorschuss, kann er nach § 58 Abs. 2 RVG diesen Vorschuss auf seine gesetzliche Vergütung anrechnen. Soweit der Vorschuss nicht die gesamten gesetzlichen Gebühren abdeckt, kann der Rechtsanwalt die ausstehende Differenz der Gebühren aus der Staatskasse nach § 49 RVG beanspruchen.

 

Rz. 110

Bei einem Streitwert bis zu 4.000 EUR sind die gesetzlichen Regelgebühren genauso hoch wie die PKH-Gebühren. Darüber sind die PKH-Gebühren gemäß § 49 RVG geringer als die gesetzlichen Regelgebühren. Bei einem Streitwert von über 50.000 EUR wirkt sich eine Erhöhung des Gegenstandswertes bei den PKH-Gebühren nicht mehr aus.

 

Beispiel

Arbeitnehmer AN kommt mit einer fristlosen Kündigung seines Arbeitgebers, bei dem er zuletzt durchschnittlich 3.000 EUR brutto monatlich verdient hat, zu Rechtsanwalt R und beauftragt diesen, Klage zu erheben. AN hat keine Rechtsschutzversicherung und R weist ihn darauf hin, dass er die Möglichkeit hat, Prozesskostenhilfe zu beantragen. R übergibt dem AN die Unterlagen zum Beantragen von Prozesskostenhilfe und bittet um einen Vorschuss von 1.300 EUR. Zugleich reicht R absprachegemäß Klage ein, beantragt Prozesskostenhilfe und kündigt an, dass er die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers mit den erforderlichen Anlagen nachreiche.

Sodann bringt AN dem R die ausgefüllte und unterschriebene Erklärung zu den per...

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