Rz. 11

Aus dem Rechtsanwaltsvertrag folgt, ob der Anwalt für seinen Mandanten Ansprüche geltend machen und begründen, oder ob er von der Gegenseite erhobene Ansprüche zurückweisen und Einwendungen erheben oder ob er Einlassungen abgeben soll. Entscheidend ist die juristisch zutreffende, zumindest aber vertretbare Interessenwahrnehmung im Sinne des Mandanten. Der maßgebende Sachverhalt ist mitzuteilen. Die subsumierte Rechtsauffassung weist auf die Rechtsposition des Mandanten hin. Der Rechtsanwalt muss unmissverständliche Willenserklärungen abgeben, insbesondere den einschlägigen Fachausdruck benutzen. Er muss vermeiden, dass seine Erklärung auslegungsbedürftig ist, weil dadurch die beabsichtigten Rechtsfolgen seiner Erklärung unsicher würden. Andernfalls drohen Haftungsrisiken.

I. Fristwahrende Erklärungen

 

Rz. 12

Zahlreiche materiell-rechtliche Fristen, wie z.B. die Anfechtungsfrist nach § 121 BGB, Einspruchs- und Kündigungsfristen oder Ausschlussfristen zwingen den Rechtsanwalt zu unverzüglichem Tätigwerden.

II. Inverzugsetzungen

 

Rz. 13

Ist für den Mandanten ein Anspruch geltend zu machen, der keine abgerechnete Entgeltforderung i.S.v. § 286 Abs. 3 BGB darstellt, ist der Anspruchsgegner in Verzug zu setzen, um Verzugszinsen beanspruchen zu können, z.B. wenn der Mandant nach einem Verkehrsunfall die Reparaturkosten verauslagt hat oder darüber hinaus sogar einen Bankkredit in Anspruch nimmt. Dasselbe gilt, wenn es sich um eine Entgeltforderung handelt, die gegenüber einem Verbraucher erhoben wird, der nicht auf den Verzug nach Rechnungszugang gemäß § 286 Abs. 3 S. 1, 2. Hs. BGB hingewiesen worden ist.

 

Rz. 14

Auch in Unterhaltssachen muss der Gegner in Verzug gesetzt werden, weil gemäß § 1613 Abs. 1 S. 1 BGB der Berechtigte für die Vergangenheit Unterhalt nur von der Zeit an fordern kann, zu welcher der Schuldner in Verzug gekommen ist (oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist). Inverzugsetzungen sind daneben erforderlich, um die erweiterte Haftung nach § 287 BGB herbeizuführen.

 

Rz. 15

Um den Gegner in Verzug setzen zu können, muss der Anspruch des Mandanten vollwirksam[15] und fällig sein;[16] d.h. es muss sich um eine Forderung handeln, deren Erfüllung erzwungen werden kann und die frei von Einwendungen oder Einreden ist.[17] Regelmäßig ist ein Anspruch sofort fällig, § 271 BGB. Etwas anderes kann sich aus dem zugrunde liegenden Vertrag ergeben. Auch eine Stundung oder ein gesetzliches Verbot stehen der Fälligkeit entgegen. Allein das Bestehen einer (dauernden oder aufschiebenden) Einrede, z.B. der Verjährungseinrede nach § 214 Abs. 1 BGB, der Einrede der Vorausklage nach § 771 BGB, der Bereicherungseinrede gemäß § 821 BGB oder der Einrede der unerlaubten Handlung gemäß § 853 BGB, schließt nach h.M. den Verzugseintritt aus, ohne dass der Schuldner die Einrede erheben müsste.[18] Die Mahnung muss daher nach Fälligkeit erfolgen oder wenigstens mit der fälligkeitsbegründenden Handlung zusammenfallen.[19] Bei wiederkehrenden Leistungen genügt eine Mahnung.

 

Rz. 16

Der Mahnende muss unzweideutig zum Ausdruck bringen, dass er die Leistung verlangt. Dazu reicht auch eine befristete Mahnung oder das Mahnen eines hilfsweise geltend gemachten Anspruchs. Es genügt aber nicht, den Anspruchsgegner aufzufordern, seine Leistungsbereitschaft zu erklären.[20] Ebenso ungenügend ist, mitzuteilen, dass Ansprüche vorsorglich geltend gemacht werden, weil es insoweit an einem bestimmten Leistungsverlangen fehlt.[21]

 

Rz. 17

Bei unbestimmten Zahlungsansprüchen wie dem Schmerzensgeld, Pflichtteilsansprüchen oder nicht berechenbaren Unterhaltsansprüchen ist es nicht unbedingt erforderlich, den Anspruch zu beziffern. Beim Schmerzensgeldanspruch reicht es stattdessen aus, die konkreten Tatsachen zur Höhe des Schmerzensgeldes mitzuteilen. Für das Inverzugsetzen beim Pflichtteilsanspruch genügt es, den Schuldner entsprechend einer Stufenklage zu mahnen. Letzteres gilt auch für den Unterhaltsanspruch, falls ein fälliger Auskunftsanspruch gemäß § 1605 Abs. 2 BGB besteht.

 

Rz. 18

Fordert der Gläubiger zu viel, ist die Mahnung dennoch wirksam, wenn der Schuldner die Forderung des Gläubigers nach den Fallumständen als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen muss und der Gläubiger zur Annahme der geringeren Leistung bereit ist.[22] Die Mahnung ist aber unwirksam, wenn der Gläubiger einen weit überzogenen Betrag verlangt.[23] Fordert der Gläubiger zu wenig, befindet sich der Schuldner nur mit dem angemahnten Betrag in Verzug.

 

Rz. 19

Vertritt der Rechtsanwalt den Schuldner, kommt die Inverzugsetzung des Gläubigers nach § 295 BGB in Betracht.

[15] BGH, Urt. v. 13.5.2015 – XII ZR 65/14, juris Rn 10 = BGHZ 205, 301 ff.
[16] BGH, Urt. v. 16.3.1988 – VIII ZR 184/87, juris Rn 19 = BGHZ 104, 6 ff.
[17] BGH, Urt. v. 25.10.2011 – XI ZR 67/11, juris Rn 30 = NJW-RR 2012, 411 ff.
[18] Nachweise bei: Staudinger/Löwisch/Feldmann (2014), § 286 BGB Rn 13.
[19] BGH, Urt. v. 13.7.2010 – XI ZR 27/10, juris Leitsatz = MDR 2010, 1134 f.
[20] Erman/Hager, BGB, 15. Aufl. 2017, § 286 BG...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge