Rz. 69

Das Fernmeldegeheimnis nach Art. 10 Abs. 1 GG gilt nicht unmittelbar zwischen Privatpersonen. Vielmehr handelt es sich bei dem Grundrecht nach Art. 10 Abs. 1 GG um ein Abwehrrecht des Einzelnen gegen den Staat, das ihn vor rechtswidrigen Eingriffen des Staates in sein Fernmeldegeheimnis schützt. Privatpersonen sind gegenüber privaten Dritten aber nicht schutzlos. Das Grundrecht nach Art. 10 Abs. 1 GG strahlt in das Privatrecht aus, und zwar über das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Wer bspw. einen nicht für ihn bestimmten Brief öffnet, kann sowohl vom Absender als auch vom Empfänger aufgrund der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf Unterlassen in Anspruch genommen werden.[139] Nicht anders ist es bei der Ausspähung elektronischer Kommunikation durch Privatpersonen.[140] § 88 Abs. 3 TKG schützt also (auch) das Fernmeldegeheimnis als spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

 

Rz. 70

Das zeigt sich besonders anschaulich, wenn man Vergleichsfälle bildet, in denen die Erben für den Zugang zu dem Benutzerkonto des Erblassers nicht der Hilfe des jeweiligen Dienstanbieters bedürfen. Dazu folgendes Beispiel:[141]

 

Beispiel

Der Erblasser hinterlässt seinen Erben die Zugangsdaten zu seinem E-Mail-Konto. Die Erben greifen nun mit den ihnen bekannten Zugangsdaten ohne das Wissen des Dienstanbieters auf das Konto zu und nehmen Kontakt zu den Freunden des Erblassers auf. Einer von ihnen ist empört darüber, dass die Erben nun Zugang zu seinen sehr persönlichen Nachrichten an den Erblasser haben und klagt gegen die Erben gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog auf Unterlassung der Nutzung des E-Mail-Kontos, da er dadurch sein Fernmeldegeheimnis verletzt sieht.

 

Rz. 71

In so gelagerten Fällen ist § 88 Abs. 3 TKG weder unmittelbar noch mittelbar anwendbar. Der durch § 88 Abs. 3 TKG zum Schutz des Fernmeldegeheimnisses verpflichtete E-Mail-Anbieter hat den Erben gerade nicht den Zugang zum Benutzerkonto verschafft und ist von den Erben auch nicht auf Zugangsverschaffung in Anspruch genommen worden. Vielmehr stehen sich die Erben und die Kommunikationspartner des Erblassers unmittelbar gegenüber. Die zugrundeliegende rechtliche Frage ist in beiden Fällen aber dieselbe: Wird das Fernmeldegeheimnis der Kommunikationspartner durch den Zugang der Erben verletzt?

[139] Vgl. BGH, Urt. v. 20.2.1990 – VI ZR 241/89, GRUR 1990, 479.
[140] Statt vieler: MüKo-BGB/Rixecker, Abschnitt "Allg. PersönlichR" Rn 1 m.w.N. Dort in Rn 119 m.w.N. auch zum Öffnen von Briefen, Ausspähen von Daten etc.
[141] Siehe schon Pruns, ZErb 2017, 217, 219.

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