Rz. 26

Die unternehmerische Entscheidung unterliegt nicht nur einer Missbrauchskontrolle, sondern auch einer Rechtskontrolle.[32] Sie darf nicht gegen Gesetze verstoßen (z.B. § 5 TzBfG,[33] § 17 Abs. 2 und 3 KSchG) oder zur Gesetzesumgehung führen.[34] Verstößt eine unternehmerische Entscheidung gegen geltendes Recht, so kann sie eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die verletzte Rechtsnorm den Bestand von Arbeitsverhältnissen schützen wollte.[35] Hat der Arbeitgeber beispielsweise bei einer Massenentlassung den Betriebsrat vorab nicht ordnungsgemäß unterrichtet (§ 17 Abs. 2 KSchG) und die Anzeige der Massenentlassung gegenüber der Bundesagentur für Arbeit nicht ordnungsgemäß erklärt (§ 17 Abs. 3 KSchG), ist die Kündigung des Arbeitnehmers nach der Rechtsprechung des EuGH und nunmehr auch des BAG gemäß § 134 BGB i.V.m. § 17 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG unwirksam.[36]

 

Rz. 27

Unternehmerische Entscheidungen können diskriminierenden Charakter haben, so dass sie wegen Verstoßes gegen das AGG rechtswidrig sind.[37] Verstößt eine Kündigung gegen Diskriminierungsverbote des AGG (§§ 110 AGG), so kann dies zur Sozialwidrigkeit der Kündigung nach § 1 KSchG führen.[38]

 

Rz. 28

 

Hinweis

Der Arbeitnehmer sollte somit mithilfe seines Vertreters prüfen, ob durch die Kündigung eine mittelbare oder unmittelbare Benachteiligung wegen der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Behinderung oder eines der weiteren zu schützenden Kriterien gemäß § 1 AGG gegeben ist. Der Betriebsrat ist, gerade auch wenn viele Kündigungen anstehen, ebenfalls ein guter Ansprechpartner, da er entweder zu den einzelnen Kündigungen angehört wurde und/oder auch zuvor in den Interessenausgleichsverhandlungen die Kündigungen Gegenstand waren.

 

Rz. 29

Tarifverträge sind im Hinblick an die für den Arbeitgeber bindenden Vereinbarungen, wie z.B. Beschäftigungssicherung, Besetzungsvorschriften oder Arbeitszeit, zu beachten.[39]

Gleiches gilt für die Verstöße gegen Betriebsvereinbarungen, gegen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, wie z.B. § 87 BetrVG sowie einzelvertragliche Vereinbarungen, deren Verletzung nach zutreffender Ansicht auch eine darauf beruhende betriebsbedingte Kündigung unwirksam sein lassen.[40]

[34] Vgl HK-ArbR/Schubert, § 1 KSchG Rn 392 f.
[35] Vgl. Däubler, Rechtswidrige Unternehmerentscheidung und betriebsbedingte Kündigung, DB 2012, 2100 mit einer Übersicht.
[39] Vgl. ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn 240; DDZ/Deinert, § 1 KSchG Rn 269.
[40] Vgl. HK-ArbR/Schubert, § 1 KSchG Rn 392.

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