Rz. 270

Der Anspruch setzt voraus, dass der Betriebsrat der Kündigung des Arbeitnehmers ordnungsgemäß und fristgerecht widersprochen hat, der Arbeitnehmer fristgemäß Kündigungsschutzklage eingereicht hat, das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet und schließlich der Anspruch auf Weiterbeschäftigung durch den Arbeitnehmer geltend gemacht wird.[487]

Die Voraussetzungen sind:

[487] HK-ArbR/Braasch, § 102 BetrVG Rn 52.

aa) Widerspruch des Betriebsrats

 

Rz. 271

Der Betriebsrat muss der Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen haben. Dies hat der Arbeitnehmer zu beweisen.

 

Rz. 272

 

Hinweis

Der Arbeitnehmervertreter wird häufig schon vom gekündigten Arbeitnehmer darüber unterrichtet, ob und warum der Betriebsrat einer Kündigung widersprochen hat. Auch um den Weiterbeschäftigungsantrag vorzubereiten, nimmt der Arbeitnehmervertreter Kontakt zum Betriebsrat auf, um sich zu vergewissern und belegen zu können, dass frist- und ordnungsgemäß widersprochen wurde.

Damit der Widerspruch ordnungsgemäß ist, muss er sich auf einen der in § 102 BetrVG genannten Gründe beziehen und diesen nicht nur nennen, sondern auch mit Tatsachen im Hinblick auf den konkreten Fall und Arbeitnehmer nachvollziehbar belegen.[488] Die Niederschrift, die den Widerspruch des Betriebsrates wiedergibt, muss von dem Betriebsratsvorsitzenden und einem weiteren Mitglied des Betriebsrats unterzeichnet sein (§ 34 Abs. 2 S. 2 BetrVG).

[488] Im Einzelnen Fitting u.a., § 102 Rn 71.

bb) Ordentliche Kündigung

 

Rz. 273

Der Anwendungsbereich des § 102 Abs. 5 BetrVG bezieht sich auf die ordentliche Kündigung.

Bei einer außerordentlichen Kündigung wird die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht als zumutbar betrachtet.[489] Daraus wird nach wohl h.M. geschlossen, dass der Weiterbeschäftigungsanspruch bei einer außerordentlichen, hilfsweisen ordentlichen Kündigung nicht zur Anwendung kommen soll.[490] Nur bei offensichtlich unwirksamer außerordentlicher Kündigung soll der Anspruch dennoch bestehen können.[491]

Nach anderer zutreffender Ansicht besteht der Weiterbeschäftigungsanspruch auch bei einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlich erklärten Kündigung, da die angegriffene ordentliche Kündigung eine Kündigung mit vorläufiger Beschäftigungsgarantie ist, die nicht deshalb entfallen kann, weil der Arbeitgeber auch außerordentlich kündigt.[492]

Bei einer erneuten ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers endet der rechtswirksam geltend gemachte Weiterbeschäftigungsanspruch, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat zu der erneuten Kündigung ordnungsgemäß angehört und dieser der Kündigung, die auf einem neuen Sachverhalt beruht, nicht wirksam widersprochen hat.[493] Gleiches gilt für eine erneute, auf einem neuen Sachverhalt beruhende außerordentliche Kündigung.[494]

 

Rz. 274

 

Hinweis

Der Arbeitnehmervertreter hat sorgfältig darauf zu achten, ob diese Kündigung (Ketten- oder Kaskadenkündigung) nicht missbräuchlich erfolgt ist, um sich des weiterbeschäftigten Arbeitnehmers zu erledigen.[495]

 

Rz. 275

Nach einhelliger Meinung besteht für den Arbeitnehmer ein Weiterbeschäftigungsanspruch, der ordentlich unkündbar ist (aufgrund Tarifvertrag, BV oder Einzelvertrag) und dem aus diesem Grund nur außerordentlich mit einer sozialen Auslauffrist, die der ordentlichen Kündigungsfrist entspricht, gekündigt wird.[496]

 

Rz. 276

Bei einer Änderungskündigung kommt der Weiterbeschäftigungsanspruch unter bestimmten Umständen in Betracht:

Nimmt der Arbeitnehmer das Angebot der geänderten Arbeitsbedingungen ohne Vorbehalt an, so hat er nach diesen Bedingungen nach Ablauf der Kündigungsfrist zu arbeiten. Für einen Weiterbeschäftigungsanspruch zu den bisherigen Bedingungen bleibt insoweit kein Raum.[497]

Lehnt der Arbeitnehmer die geänderten Arbeitsbedingungen ab, so besteht der betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsanspruch.[498] Bei einer Auseinandersetzung über die Wirksamkeit der erklärten Annahme gilt dasselbe.[499]

Bei einer Annahme des Änderungsangebots unter dem Vorbehalt der Prüfung sozialen Rechtfertigung wird im Hinblick auf das Bestehen des Weiterbeschäftigungsanspruchs zum Teil die Ansicht vertreten, dass dieser in keinem Fall bestehen kann, da § 102 Abs. 5 BetrVG ausschließlich Bezug nehme auf eine Klage gemäß § 4 S. 1 KSchG und nicht auf § 4 S. 2 KSchG. Außerdem sei das Schutzbedürfnis nicht gleichermaßen ausgeprägt.[500]

 

Rz. 277

In der Literatur wird auch dahingehend differenziert, ob das Änderungsangebot mit einer Versetzung oder Umgruppierung einhergeht.[501] Ist dies nicht der Fall, ist ein Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG nicht realisierbar, da der Klageantrag in diesem Fall nicht dahingehend lautet, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst wird. Der Arbeitnehmer muss zu den geänderten Arbeitsbedingungen bis zum rechtskräftigen Ende des Rechtsstreits arbeiten.

Ist aber mit der Änderungskündigung auch eine Versetzung oder Umgruppierung verbunden und der Betriebsrat hat dazu nicht seine Zustimmung erteilt und diese ist nicht ersetzt oder darf die Maßnahme vorläufig aus dringenden sachlichen...

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