Rz. 12

In Abgrenzung zu den vorherigen Konstellationen, in denen der Gesetzgeber das Erfordernis einer gesetzlichen Vertretung vorgeschrieben hat, ist grundsätzlich eine Vertretung aufgrund einer (Vorsorge-)Vollmacht zulässig und ausreichend. Hierzu einige Beispiele:

Annahme einer Erbschaft[51]
Ausschlagung einer Erbschaft (§ 1944 BGB), jedoch muss die Vollmacht öffentlich beglaubigt sein (§ 1945 Abs. 3 S. 1 BGB)
Ausgleichungsanordnungen und Anrechnungsbestimmung bei Schenkungen (§§ 2050 Abs. 3, 2315 BGB; keine Verfügung von Todes wegen, sondern eine Modifikation der Schenkung)[52]
Erbschein, rechtsgeschäftliche Vertretung im Erbscheinsverfahren ist möglich und der geschäftsunfähige Antragsteller kann sich bei Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 352 Abs. 3 S. 3 FamFG rechtsgeschäftlich vertreten lassen (siehe Rdn 7).[53]
Ehevertrag, Abschluss, Änderung und Aufhebung (§§ 1410 ff. BGB), Vertretung durch formlose Vollmacht möglich (§ 167 Abs. 2 BGB;[54] betreuungsgerichtliche Genehmigung ist bei gewissen Modifikationen gem. § 1411 Abs. 1 BGB erforderlich; für die Eintragung im Güterrechtsregister ist eine öffentlich beglaubigte Vollmacht erforderlich[55])
Einwilligung des Ehegatten gem. § 1365 BGB (bei Bevollmächtigung des anderen Ehegatten Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erforderlich)[56]
Hinterlegung eines eigenhändigen Testaments (§ 2248 BGB)[57]
Meldebehörde: An- und Abmeldungen (§ 17 BundesmeldegesetzBMG)[58]
Prozessvertretung ohne schriftliche Vollmacht bei der nicht prozessfähigen Partei gesetzlicher Vertreter (§ 51 Abs. 3 ZPO)
Scheidung: Zwar fordert § 125 Abs. 2 FamFG einen gesetzlichen Vertreter. Aber § 51 Abs. 3 ZPO bestimmt, dass, wenn eine zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht prozessfähige Partei wirksam eine andere natürliche Person schriftlich mit ihrer gerichtlichen Vertretung bevollmächtigen kann, diese Person einem gesetzlichen Vertreter gleichsteht.[59] Allerdings keine Vertretung durch den anderen Ehegatten.[60]
Schweigepflicht: Befreiung von der anwaltlichen Schweigepflicht zulässig (ggf. ausdrückliche Anordnung erforderlich);[61] anders nach BGH[62] bei der notariellen Schweigepflicht; Befreiung von der ärztlichen Schweigepflicht möglich (ggf. ausdrückliche Anordnung erforderlich)[63]
Sorgerecht für Kinder: Auch Angelegenheiten der elterlichen Sorge können durch Vollmacht geregelt werden (Sorgerechtsvollmacht, siehe § 10) und damit Teil einer Vorsorgevollmacht sein,[64] nicht jedoch eine Vollmacht für das Kind in die Volljährigkeit zur Vermeidung einer Betreuung.[65]
Totenfürsorge (siehe § 3 Rdn 204 ff.; Muster siehe § 1 Rdn 161).[66]
[52] DNotI-Report 2011, 43 (Gutachten, Ausgleichungsanordnung); Kurze/Kurze, VorsorgeR, § 164 Rn 27 (Anrechnungsbestimmungen, Ausgleichungsanordnung).
[54] BGH, Urt. v. 1.4.1998 – XII ZR 278–96, NJW 1998, 1857, 1858; MüKo-BGB/Münch, § 1410 Rn 6 m.w.N.; Kanzleiter, NJW 1999, 1612, 1613.
[55] KG, Beschl. v. 2.7.2001 – 1 W 9102/00, RPfleger 2001, 589.
[56] Kurze/Kurze, VorsorgeR, § 164 Rn 29 (Ehegatte, Verfügungen über Vermögen im Ganzen, § 1365 BGB); dazu ausführlich Müller, ZNotP 2005, 419 ff.
[57] OLG München, Beschl. v. 25.6.2012 31 – Wx 213/11, ZErb 2012, 213 = ZEV 2012, 482.
[58] Kurze/Kurze, VorsorgeR, § 164 Rn 35 (Meldepflicht).
[60] OLG Hamm, Beschl. v. 16.8.2013 – 3 UF 43/13, BeckRS 2013, 17517 (Rn 42 in NJW 2014, 158 nicht abgedruckt); Kurze/Kurze, VorsorgeR, § 164 Rn 39 (Scheidung).
[61] Kurze/Kurze, VorsorgeR, § 164 Rn 27 (Anwaltliche Schweigepflicht) und Rn 39 (Schweigepflicht).
[62] BGH, Beschl. v. 20.4.2009 – NotZ 23/08, ZEV 2009, 351.
[63] Kurze/Kurze, VorsorgeR, § 164 Rn 27 (Ärztliche Schweigepflicht) und Rn 39 (Schweigepflicht).
[64] DNotI-Report 2010, 203 (Gutachten); Müller-Engels/Braun/Renner/Müller-Engels, BetreuungsR, Kap. 2 Rn 236 und Müller-Engels/Braun/Müller-Engels, Kap. 3 Rn 195 ff.
[65] Müller-Engels/Braun/Renner/Müller-Engels, BetreuungsR, Kap. 2 Rn 42 unter Hinweis auf G. Müller, in: Sonnenfeld, FS für Bienwald, 2006, S. 203 ff.
[66] AG Osnabrück, Urt. v. 27.2.2015 – 15 C 568/15 (11), ZErb 2015, 159.

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