Rz. 527

Ein vom Arbeitgeber gem. § 109 Abs. 1 S. 3 GewO auszustellendes qualifiziertes Zeugnis muss in erster Linie wahr sein.[846] Der Grundsatz der Zeugniswahrheit ist vom BAG als oberster Grundsatz der Zeugniserteilung, der alle Fragen des Zeugnisses beherrscht, entwickelt worden.

Er verpflichtet den Arbeitgeber zur Unterlassung jeglicher falscher tatsächlicher Angaben zu Lasten oder zugunsten des Arbeitnehmers. Das gilt auch für das Weglassen von Angaben, die nach der Tätigkeit des Arbeitnehmers erwartet werden, z.B. Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit bei einem Kassierer.[847]

Aus der Wahrheitspflicht folgt nach der Rechtsprechung des BAG zugleich, dass im Zeugnis alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen enthalten sein müssen, die für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung sind. Umgekehrt darf der Arbeitgeber einmalige Vorfälle oder Umstände, die für das Gesamtbild und die gesamte Vertragszeit nicht charakteristisch waren, nicht in das Zeugnis aufnehmen oder verallgemeinern.[848]

Der Grundsatz der Zeugniswahrheit gilt nicht nur zugunsten des Arbeitnehmers, sondern auch eines künftigen Arbeitgebers, soweit er an dem Zeugnisinhalt ein berechtigtes und verständiges Interesse haben kann. Deshalb muss z.B. auch gegen den Willen des Arbeitnehmers ein schwebendes Ermittlungsverfahren, das auf dienstlichen Verfehlungen beruht, auch gegen den Willen des Arbeitnehmers ins Zeugnis aufgenommen werden, um eine mögliche Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers auszuschließen.[849] Dagegen dürfen bloße Verdächtigungen nicht erwähnt werden, auch wenn sie als Grund für eine Verdachtskündigung ausreichend sein können.

Der Gesundheitszustand des Arbeitnehmers, insbesondere krankheitsbedingte Fehlzeiten, darf im Zeugnis grundsätzlich keine Erwähnung finden.[850]

Eine Betätigung als Betriebsrats- oder Gewerkschaftsmitglied darf nur auf Wunsch des Arbeitnehmers ins Zeugnis aufgenommen werden.[851]

[847] BAG 23.6.1960, AP Nr. 1 zu § 1 HGB, Bl. 105 R; BAG 29.7.1971, AP Nr. 6 zu § 630 BGB.
[848] BAG 23.6.1960, AP Nr. 1 zu § 1 HGB; Küttner-Poeche, Personalbuch 2020, Zeugnis Rn 27.
[849] BAG 5.8.1976, AP Nr. 10 zu § 630 BGB (Entlassung eines Heimleiters wegen sittlicher Verfehlungen an den Pflegebefohlenen).
[850] Küttner-Poeche, Personalbuch 2020, Zeugnis Rn 29.
[851] Küttner-Poeche, Personalbuch 2020, Zeugnis Rn 30.

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