Rz. 691

Nach § 72a Abs. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kann eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision darauf gestützt werden, dass das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen hat, obwohl dessen Urteil eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Das ist dann der Fall, wenn die Klärung der Rechtsfrage entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt. Dabei ist eine Rechtsfrage eine Frage, welche die Wirksamkeit, den Geltungsbereich, die Anwendbarkeit oder den Inhalt einer Norm zum Gegenstand hat. Der Beschwerdeführer hat die nach § 72a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 ArbGG von ihm darzulegende entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu benennen und regelmäßig so präzise und konkret zu formulieren, dass sie bejaht oder verneint werden kann. Das schließt zwar im Einzelfall eine differenzierte Formulierung nicht aus, unzulässig ist aber eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt und damit auf die Antwort "Kann sein" hinausläuft. Darüber hinaus sind die Klärungsbedürftigkeit, Entscheidungserheblichkeit und allgemeine Bedeutung für die Rechtsordnung und ihre Auswirkungen auf die Interessen jedenfalls eines größeren Teils der Allgemeinheit aufzuzeigen. "Rechtsfragen" i.S.v. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG müssen die Wirksamkeit, den Geltungsbereich, die Anwendbarkeit oder den Inhalt einer Norm betreffen. Die ausschließliche Subsumtion des zugrundeliegenden Sachverhaltes unter rechtliche Bestimmungen und die Formulierung der Fragen nach dem Ergebnis der konkreten Rechtsanwendung im Einzelfall reichen nicht aus. Eine Beantwortung dieser "Rechtsfragen" durch das Beschwerdegericht würde darauf hinauslaufen, das Urteil des LAG im Ergebnis als richtig oder falsch zu bewerten. Eine solche Bewertung kann nicht im Rahmen eines Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, sondern könnte nur im Rahmen einer zugelassenen Revision erfolgen.[1122]

 

Rz. 692

Nach § 72 Abs. 2 ArbGG ist die Revision nunmehr in vier Fällen zuzulassen, nämlich wenn:

eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat (Grundsatzrevision);
eine Divergenz zu Entscheidungen des BVerfG, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, des BAG oder, solange eine Entscheidung des BAG in der Rechtsfrage noch nicht ergangen ist, zu Entscheidungen eines anderen LAG oder einer Kammer desselben LAG vorliegt (Divergenzrevision);
ein absoluter Revisionsgrund gem. § 547 Nr. 1–5 der ZPO gegeben ist, z.B. Besetzungsrüge[1123] (Verfahrensrechtsverletzungsrevision);
eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt (Gehörverletzungsrevision).

Nach § 72a Abs. 1 ArbGG ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das LAG entsprechend nunmehr statthaft, wenn

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat;
eine Divergenz gem. § 72 ArbGG vorliegt;
ein absoluter Revisionsgrund gegeben ist;
eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gem. § 72 ArbGG vorliegt, die für die Entscheidung erheblich ist.

Die Voraussetzungen für die Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wurden nach den in der Rechtsprechung des BAG entwickelten Grundsätzen restriktiv und streng ausgelegt.[1124]

Über die Möglichkeit der Grundsatzbeschwerde, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, und über die Gehörverletzungsbeschwerde ist nunmehr der Zugang zur Revisionsinstanz wesentlich erweitert worden.

Eine Erleichterung ist die Regelung in § 72a Abs. 6 ArbGG, wonach dann, wenn der Beschwerde stattgegeben wird, das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt wird und die Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision gilt. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

[1124] Zu den Voraussetzungen der Nichtzulassungsbeschwerde Hauck, Die Nichtzulassungsbeschwerde im arbeitsgerichtlichen Verfahren, NZA 1998, 925.

aa) Grundsatzbeschwerde

 

Rz. 693

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 72a Abs. 3 Nr. 1 ArbGG richtet sich nach dem Sinn des Revisionsverfahrens, dem Erhalt der Rechtseinheit und der Rechtsfortbildung.

Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist deshalb nur dann zu bejahen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreites von einer klärungsfähigen und -bedürftigen Rechtsfrage abhängt und diese Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teiles der Allgemeinheit eng berührt.[1125]

In der Entscheidungspraxis des BAG zeigt sich deutlich eine restriktive Anwendung der Voraussetzungen für eine Grundsatzbeschwerde, die zumeist schon an dem Erfordernis scheitert, dass sich das LAG mit der Rechtsfrage befasst hat.[1126] Ist ...

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