Rz. 1

Schon unter der Geltung der Konkursordnung stellten nach § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO die Ansprüche der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis für die Zeit nach der Konkurseröffnung Masseschulden dar. Daran hat sich mit dem Inkrafttreten der InsO im Grundsatz nichts geändert. Nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 209 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3 InsO gehören Ansprüche der Arbeitnehmer zu den Masseverbindlichkeiten, soweit die Erfüllung des Vertragsverhältnisses zur Insolvenzmasse erfolgt. Sie müssen demgemäß auch nicht zur Insolvenztabelle angemeldet werden.

 

Rz. 2

 

Hinweis

Die – vorsorgliche oder versehentliche – Anmeldung von Masseforderungen zur Insolvenztabelle wahrt eine tarifliche Ausschlussfrist, die eine schriftliche Geltendmachung verlangt.[1]

 

Rz. 3

§ 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO unterfallen alle Entgeltansprüche, die aus der Beschäftigung von Arbeitnehmern durch den Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung erwachsen, und alle sonstigen Ansprüche, die sich aus dem bloßen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ergeben. Ist ein regelmäßiges Arbeitsentgelt vereinbart, entstehen die Entgeltansprüche mit den Zeitabschnitten, nach denen die Vergütung zu bemessen ist.

 

Rz. 4

Fallen die Zeitabschnitte in die Zeit nach Insolvenzeröffnung, handelt es sich um Masseverbindlichkeiten i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO. Von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO werden u.a. Arbeitsverhältnisse erfasst, die der Insolvenzverwalter in seiner Funktion als Partei kraft Amtes selbst begründet.

 

Rz. 5

Eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO setzt voraus, dass der Anspruch in einem zumindest teilweise synallagmatischen Verhältnis zu der erbrachten Arbeitsleistung steht. Es muss im weitesten Sinn Entgelt "für die Zeit" nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschuldet sein. Demgegenüber genügt es nicht, dass die Forderung erst nach Eröffnung des Verfahrens fällig wird, also erst "in der Zeit" nach Verfahrenseröffnung erfüllt werden muss. Auch Leistungen, die nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag abhängen, können Masseverbindlichkeiten i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO sein.

 

Rz. 6

Der Insolvenzverwalter nimmt die Gegenleistung des Arbeitnehmers i.S.v. § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO "in Anspruch", wenn er diese nutzt, den Arbeitnehmer also zur Arbeit heranzieht. Gegenleistung ist die vom Arbeitnehmer nach § 611 Abs. 1 BGB geschuldete Arbeitsleistung. Nicht erforderlich ist, dass der Insolvenzverwalter die Arbeitsleistung auf der Grundlage eines erklärten eigenen Willensaktes in Anspruch genommen hat. Eine Privilegierung von Vergütungsansprüchen durch ihre Einordnung als Neumasseverbindlichkeiten rechtfertigt sich regelmäßig nur, wenn der Arbeitnehmer durch tatsächliche Arbeitsleistung zur Anreicherung der Masse beiträgt. Der Masse muss ein wirtschaftlicher Wert zufließen. Das setzt voraus, dass das Arbeitsverhältnis in Vollzug ­gesetzt ist.

 

Rz. 7

Für die Entstehung von Neumasseverbindlichkeiten gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO i.V.m. § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO reicht es nach diesen Maßstäben nicht aus, dass der Insolvenzverwalter den bisher freigestellten Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung auffordert. Neumasseverbindlichkeiten werden grundsätzlich nur begründet, wenn der Arbeitnehmer der Aufforderung nachkommt und so die Gegenleistung zur Masse gelangt. Nur in diesem Fall "nutzt" der Insolvenzverwalter die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers und nur in diesem Fall sind die "darauf beruhenden Ansprüche aus dem Dauerschuldverhältnis", d.h. auch das Entgelt für die sog. "unproduktiven" Ausfallzeiten wie Feiertage und krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, als Teil des Synallagmas Neumasseverbindlichkeiten. Ein Arbeitnehmer, der nicht arbeitet, erbringt keine Gegenleistung. Verhindert ein freigestellter Arbeitnehmer, der vom Insolvenzverwalter zur Arbeitsleistung aufgefordert wird, durch Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts, dass seine Arbeitskraft der Masse tatsächlich zugutekommt, fließt der Masse kein Gegenwert zu.

 

Rz. 8

Diese Abgrenzung von Alt- und Neumasseverbindlichkeiten entspricht dem Willen des Gesetzgebers. Dieser wollte dem Arbeitnehmer, der seine Leistung voll zu erbringen hat und nicht vom Verwalter freigestellt worden ist, Anspruch auf volle Vergütung seiner Arbeitsleistung einräumen.

 

Rz. 9

Entscheidend ist somit, ob es sich um sog. Alt- oder um sog. Neumasseverbindlichkeiten handelt. Hat der Insolvenzverwalter, die Arbeitskraft eines Arbeitnehmers nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit weiter in Anspruch genommen, und sei es auch nur für eine bestimmte Zeit bis zu einer geplanten Stilllegung oder bis zu einer Personalanpassung, und spricht er in einem solchen Fall während der Weiterbeschäftigung dann eine Kündigung aus, die vom Arbeitnehmer erfolgreich mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen oder vom Insolvenzverwalter zurückgenommen wird, dann sind die daraus entstehenden Annahmeverzugsansprüche Neumasseverbindlichkeiten im Sinne des § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO.

 

Rz. 10

Für die Entstehung von Neumasseverb...

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