Rz. 4

Gerät der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein (§ 615 S. 1 BGB). Im Kündigungsschutzprozess hat diese Vorschrift enorme wirtschaftliche Bedeutung: Das arbeitsgerichtliche Verfahren – obwohl eines der zügigsten Gerichtsverfahren – kann sich dennoch über eine erhebliche Dauer erstrecken. Erst mit dem rechtskräftigen Ende des Kündigungsschutzprozesses sind sich die Parteien darüber im Klaren, ob die Kündigung ihr Arbeitsverhältnis beendet hat. Im Fall der Unwirksamkeit der Kündigung hat der Arbeitgeber ggf. für eine sehr lange Zeitspanne den Lohn an den Arbeitnehmer nachzuentrichten (vgl. § 38 Rdn 1 ff.).

 

Rz. 5

Nach Ablauf der in einer unwirksamen Kündigung bezeichneten Kündigungsfrist (bei unwirksamen fristlosen Kündigungen: sofort) gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug. Das Entstehen des Annahmeverzuges ist nicht von einem tatsächlichen (§ 294 BGB) oder auch nur wörtlichen Angebot (§ 295 BGB) der Arbeitskraft seitens des Arbeitnehmers abhängig. In dem Bereitstellen eines funktionsfähigen Arbeitsplatzes und der Zuweisung von Arbeit ist eine kalendarisch bestimmte Mitwirkungshandlung des Gläubigers i.S.d. § 296 BGB zu sehen. Der Arbeitgeber muss folglich zunächst dem Arbeitnehmer überhaupt eine Arbeitsmöglichkeit eröffnen und den Arbeitsablauf fortlaufend planen und konkretisieren, bevor der Arbeitnehmer seine Leistung anzubieten gehalten ist. Diese arbeitgeberseitige Mitwirkungshandlung findet im Falle der Kündigung für Zeiten nach dem darin ausgesprochenen Beendigungszeitpunkt nicht statt.[1]

 

Rz. 6

Der Eintritt von Annahmeverzug ist ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer nicht leistungswillig oder nicht leistungsfähig ist (§ 297 BGB). Allein aus einem Antrag, das Arbeitsverhältnis gem. §§ 9, 10 KSchG aufzulösen, ist nicht auf fehlenden Leistungswillen zu schließen.[2] Fehlender Leistungswille kann aber vorliegen, wenn der Arbeitnehmer u.a. in einem Vorprozess geltend gemacht hat, das Arbeitsverhältnis sei völlig zerrüttet und könne unter keinen Umständen mehr fortgeführt werden, mit der Abweisung des Auflösungsantrags in dem Kündigungsschutzprozess hätten es sein früherer Arbeitgeber R durch uneidliche Falschaussage und sein "lügender Arbeitgeber L" geschafft, dass "dieses längst untragbare und unwürdige Arbeitsverhältnis weiter besteht", und er wolle sich unverzüglich nach seiner Wiedergenesung um eine neue Arbeitsstelle bemühen.[3] Ein Aufenthalt im Ausland lässt den Leistungswillen nicht entfallen.[4] Nach Auffassung des BAG liegt ein Annahmeverzug ausschließender fehlender Leistungswille vor, wenn der Arbeitgeber nach Ausspruch einer Kündigung eine sog. Prozessbeschäftigung anbietet und der Arbeitnehmer die Forderung nach einem Verzicht auf die Wirkungen der Kündigung zur Bedingung der Arbeitsaufnahme macht.[5] Dem ist entgegenzuhalten, dass auch bei fehlendem Willen, Leistung beim Arbeitgeber in einem Prozessarbeitsverhältnis zu erbringen, Leistungswilligkeit im Rahmen des eigentlichen (durch "Kündigungsrücknahme" und deren Annahme einvernehmlich fortgesetzten) Arbeitsverhältnisses gegeben sein kann. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass fehlender Leistungswille in der Praxis eher selten auftritt bzw. vom Arbeitgeber nachgewiesen werden kann, sodass der Arbeitgeber sich keineswegs darauf verlassen sollte, dass arbeitnehmerseitige Annahmeverzugslohnansprüche hieran scheitern werden.

 

Rz. 7

Fehlende Leistungsfähigkeit tritt in der Praxis immer wieder auf. Die hierbei wichtigsten Fälle sind diejenigen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Diese verhindert den Eintritt des Annahmeverzuges, wobei das fehlende Leistungsvermögen auch nicht durch die subjektive Einschätzung des Arbeitnehmers ersetzt werden kann, er sei trotzdem gesundheitlich in der Lage, einen Arbeitsversuch zu unternehmen.[6] Lohnansprüche kann der erkrankte Arbeitnehmer nur im Rahmen der Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) geltend machen. Ist er dauerhaft wegen ein und derselben Erkrankung arbeitsunfähig, beschränkt sich sein Entgeltfortzahlungsanspruch auf die Dauer von sechs Wochen. Häufig wird dieser Zeitraum bereits vor oder während der Kündigungsfrist abgelaufen sein.

 

Rz. 8

Aus diesem Grund nehmen insbesondere die Fälle der – Arbeitsunfähigkeit bewirkenden – Langzeiterkrankung eine Sonderrolle ein. Solange die Arbeitsunfähigkeit andauert, kann ein Anspruch auf Annahmeverzugslohn und damit auch ein Annahmeverzugslohnrisiko nicht entstehen. Häufig sind solche Konstellationen bei personenbedingten Kündigungen anzutreffen. Der Arbeitgeber muss in diesen Fällen allerdings darauf achten, laufend über den gesundheitlichen Zustand des Arbeitnehmers in Kenntnis zu sein, da bei Wegfall der Arbeitsunfähigkeit das Annahmeverzugslohnrisiko unmittelbar wieder einsetzt; der Anzeige der wiedergewonnenen Arbeitsfähigkeit bzw. eines Angebotes der Arbeits...

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