Rz. 81

Wird ein Strafverfahren eingestellt, in dem der Anwalt als Verteidiger bereits tätig war, und schließt sich hieran ein Bußgeldverfahren an, so ist das Bußgeldverfahren gegenüber dem Strafverfahren nach § 17 Nr. 10 Buchst. b) RVG eine eigene Angelegenheit. Der Anwalt erhält also im Strafverfahren die Gebühren nach Teil 4 VV und im Bußgeldverfahren die Gebühren nach Teil 5 VV.

 

Rz. 82

Strittig war, ob im Strafverfahren jetzt eine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV entsteht.

 

Rz. 83

Die überwiegende Auffassung hatte dies zu Recht bejaht, da es sich bei Straf- und Bußgeldverfahren um zwei verschiedene Angelegenheiten handelt und der Anwendung der Nr. 4141 VV folglich nicht entgegenstehen kann, dass wegen derselben Tat anschließend ein Bußgeldverfahren durchgeführt wird. Unabhängig von der Durchführung eines Bußgeldverfahrens ist das Strafverfahren als solches nicht nur vorläufig eingestellt, sodass damit der Gebührentatbestand der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 4141 VV verwirklicht ist. Der BGH[32] hat zwischenzeitlich anders entschieden. Diese Entscheidung ist jedoch seit dem 1.8.2013 infolge des 2. KostRMoG überholt, da Nr. 4141 VV dahingehend geändert worden ist, dass nicht mehr die Einstellung des "Verfahrens" erforderlich ist, sondern die Einstellung des "Strafverfahrens" ausreicht (siehe im Einzelnen § 35 Rdn 51 ff.).

 

Rz. 84

Im anschließend eingeleiteten Bußgeldverfahren können alle Gebühren der Nrn. 5101 ff. VV anfallen, auch eine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 5115 VV. Hinsichtlich der Grundgebühr ist allerdings zu differenzieren:

Ist im Strafverfahren bereits die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV entstanden und liegt dem Bußgeldverfahren dieselbe Handlung oder Tat zugrunde wie dem Strafverfahren, kann die Grundgebühr nicht erneut entstehen (Anm. Abs. 2 zu Nr. 5100 VV).
Liegen dem Straf- und Bußgeldverfahren dagegen unterschiedliche Handlungen oder Taten zugrunde, kann die Grundgebühr im Bußgeldverfahren erneut entstehen.
 

Rz. 85

Voraussetzung ist, dass die Bußgeldbehörde die Ermittlungen auch aufnimmt. Ohne ein Ordnungswidrigkeitenverfahren können keine Gebühren nach den Nrn. 5100 ff. VV ausgelöst werden.

 

Beispiel 32: Einstellung des Strafverfahrens und Abgabe nach § 43 Abs. 2 OWiG

Nach einem Verkehrsunfall ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Verkehrsunfallflucht und einer Trunkenheitsfahrt. Das Verfahren wegen des Verdachts der Verkehrsunfallflucht wird mangels Tatverdacht nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Hinsichtlich der Trunkenheitsfahrt wird die Sache an die Bußgeldbehörde nach § 43 Abs. 2 OWiG abgegeben, da die Blutalkoholkonzentration unter 0,5 o/oo liegt. Die Verwaltungsbehörde erlässt einen Bußgeldbescheid über 200,00 EUR, der akzeptiert wird.

Im Strafverfahren kann keine Zusätzliche Gebühr anfallen. Dies galt auch schon vor der Entscheidung des BGH, weil es sich insoweit nur um eine Teileinstellung des Verfahrens handelt, die für eine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV jedoch nicht ausreicht. Im Übrigen – also hinsichtlich der Ordnungswidrigkeit – wird das Verfahren fortgeführt – wenn auch vor der Verwaltungsbehörde.

Im Bußgeldverfahren entstehen daher mit Ausnahme der Grundgebühr alle weiteren Gebühren, hier also nur eine Verfahrensgebühr. Die Grundgebühr entsteht hier nicht erneut, da im Strafverfahren bereits die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV entstanden ist.

 
I. Strafverfahren    
1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV   220,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV   181,50 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 421,50 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   80,09 EUR
Gesamt   501,59 EUR
II. Bußgeldverfahren    
1. Verfahrensgebühr, Nr. 5109 VV   176,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 196,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   37,24 EUR
Gesamt   233,24 EUR
 

Rz. 86

 

Beispiel 33: Einstellung des Strafverfahrens und Abgabe nach § 43 Abs. 2 OWiG und anschließender Einstellung des Bußgeldverfahrens

Wie vorangegangenes Beispiel 32; jedoch wird gegen den Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt, dieser aber später wieder zurückgenommen.

Abzurechnen ist wie im vorangegangen Beispiel 32; Im Bußgeldverfahren entsteht jetzt aber auch noch eine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 5115 VV.

 
I. Strafverfahren    
  Wie Beispiel 32.    
II. Bußgeldverfahren    
1. Verfahrensgebühr, Nr. 5109 VV   176,00 EUR
2. Zusätzliche Gebühr, Nr. 5115, 5109 VV   176,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 372,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   70,68 EUR
Gesamt   442,68 EUR
 

Rz. 87

 

Beispiel 34: Einstellung des Strafverfahrens und Abgabe nach § 43 Abs. 1 OWiG – die Verwaltungsbehörde leitet kein Ermittlungsverfahren ein

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts einer Nötigung im Straßenverkehr. Das Verfahren wird nach § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatverdacht eingestellt. Gleichzeitig wird die Sache an die Verwaltungsbehörde nach § 43 Abs. 1 OWiG abgegeben, damit diese gegebenenfalls wegen eines Verstoßes gegen die St...

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