Rz. 118

Ebenso wie im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde kann auch im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren eine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 5115 VV anfallen. Diese kommt in drei Fällen in Betracht. Die Gebühr entsteht, wenn

das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird (Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 5115 VV),
sich das Verfahren durch Rücknahme des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid erledigt; sofern bereits ein Termin zur Hauptverhandlung bestimmt ist, entsteht die Gebühr nur, wenn der Einspruch früher als zwei Wochen vor Beginn des Tages, der für die Hauptverhandlung vorgesehen war, zurückgenommen wird (Anm. Abs. 1 Nr. 4 zu Nr. 5115 VV),
das Gericht nach § 72 Abs. 1 S. 1 OWiG durch Beschluss entscheidet (Anm. Abs. 1 Nr. 5 zu Nr. 5115 VV).
 

Rz. 119

Die Gebühr entsteht auch hier nicht, wenn eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit nicht ersichtlich ist (Anm. Abs. 2 zu Nr. 5115 VV). Insoweit reicht eine Mitwirkung im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde aus (Einlassungen, Schriftsätze u.Ä.), auch wenn diese sich erst im gerichtlichen Verfahren auswirkt.[36] Die Mitwirkungshandlung muss im gerichtlichen Verfahren nicht wiederholt werden. Das wäre unnötige Förmelei.

 

Rz. 120

Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem Rechtszug, in dem die Hauptverhandlung vermieden wurde (Anm. Abs. 3 S. 1 zu Nr. 5115 VV). Für den Wahlanwalt bemisst sich die Gebühr nach der Rahmenmitte (Anm. Abs. 3 S. 2 zu Nr. 5115 VV); es handelt sich also faktisch um eine Festgebühr (siehe Rdn 53).

 

Rz. 121

Wird der Einspruch zurückgenommen und ist bereits ein Hauptverhandlungstermin anberaumt, so ist zu beachten, dass die Rücknahme mehr als zwei Wochen vor dem Termin erklärt werden muss (Anm. Abs. 1 Nr. 4 zu Nr. 5115 VV). Maßgebend ist der Eingang bei Gericht. Eine Wiedereinsetzung ist nicht möglich.[37] Für die Fristberechnung gelten die §§ 187 ff. BGB (§ 186 BGB).[38]

 

Beispiel 49: Einspruchsrücknahme im gerichtlichen Verfahren vor Anberaumung eines Hauptverhandlungstermins

Der Verteidiger nimmt den Einspruch nach Eingang der Akten bei Gericht aber noch vor Anberaumung eines Hauptverhandlungstermins zurück.

Da noch kein Hauptverhandlungstermin anberaumt war, kann die Ausschlussfrist der Anm. Abs. 1 Nr. 4 zu Nr. 5115 VV (mehr als zwei Wochen) nicht greifen. Der Anwalt erhält in diesem Fall die Zusätzliche Gebühr immer.

 
I. Bußgeld unter 60,00 EUR
1. Verfahrensgebühr, Nr. 5107 VV   71,50 EUR
2. Zusätzliche Gebühr, Nrn. 5115, 5107 VV   71,50 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 163,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   30,97 EUR
Gesamt   193,97 EUR
II. Bußgeld zwischen 60,00 EUR und 5.000,00 EUR
1. Verfahrensgebühr, Nr. 5109 VV   176,00 EUR
2. Zusätzliche Gebühr, Nrn. 5115, 5109 VV   176,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 372,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   70,68 EUR
Gesamt   442,68 EUR
III. Bußgeld über 5.000,00 EUR
1. Verfahrensgebühr, Nr. 5111 VV   220,00 EUR
2. Zusätzliche Gebühr, Nrn. 5115, 5111 VV   220,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 460,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   87,40 EUR
Gesamt   547,40 EUR
 

Rz. 122

 

Beispiel 50: Einspruchsrücknahme im gerichtlichen Verfahren nach Anberaumung eines Hauptverhandlungstermins

Nach Eingang der Akten beraumt das Gericht Termin zur Hauptverhandlung auf den 22.8. an. Der Verteidiger soll den Einspruch zurücknehmen.

Jetzt muss die Zwei-Wochen-Frist beachtet werden, da ein Termin zur Hauptverhandlung anberaumt ist. Zu beachten ist, dass die Rücknahme

früher als zwei Wochen
vor Beginn des Tages, der für die Hauptverhandlung vorgesehen war,

erklärt werden muss.

Würde der Einspruch erst am 9.8. oder später zurückgenommen, wäre die Zwei-Wochen-Frist auf keinen Fall mehr gewahrt. Abzurechnen wäre wie im Beispiel 39.

Würde der Einspruch bis einschließlich zum 6.8. zurückgenommen, ist die Frist von mehr als zwei Wochen auf jeden Fall gewahrt. Abzurechnen wäre wie im Beispiel 49.

Würde der Einspruch am 7. oder 8.8. zurückgenommen, so ist strittig, ob damit die Frist gewahrt ist. Nach Burhoff[39] ist § 43 Abs. 1 StPO analog anzuwenden. Danach würde die Rücknahme am 8.8. und erst recht am 7.8. ausreichen. Das dürfte jedoch unzutreffend sein. Die Rücknahme wird nicht zum Ende einer Frist erklärt. Vielmehr beginnt die Frist von mehr als zwei Wochen erst mit der Rücknahme. Daher ist nach § 187 Abs. 1 BGB der Tag der Rücknahme bei der Fristberechnung nicht mitzurechnen. Würde also die Rücknahme am 8.8. erklärt, würde mit dem 9.8. die Zwei-Wochen-Frist laufen und am 22.8. enden (§ 188 Abs. 2 S. 1 BGB). Das wäre der Tag der Hauptverhandlung und damit nicht vor Beginn der Hauptverhandlung, was nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Anm. Abs. 1 Nr. 4 zu Nr. 5115 VV ("vor Beginn des Tages, der für die Hauptverhandlung vorgesehen war"), erforderlich ist. Abzurechnen wäre wie im Beispiel 39.

Auch die Rücknahme am 7.8. würde nicht ausreichen, da die Frist dann am 21.8.,...

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