Rz. 128

Werden im erstinstanzlichen Verfahren vermögensrechtliche Ansprüche des Verletzten oder seines Erben geltend gemacht (Adhäsionsverfahren nach §§ 403 ff. StPO), erhält der Anwalt zusätzlich zu den sonstigen Gebühren eine 2,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV.

 

Rz. 129

Strittig ist, ob eine vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr in entsprechender Anwendung der Vorbem. 3 Abs. 4 VV hälftig auf die Verfahrensgebühr im Adhäsionsverfahren anzurechnen ist. Zum Teil wurde bisher eine Regelungslücke angenommen und in analoger Anwendung der Vorbem. 3 Abs. 4 VV eine hälftige Anrechnung befürwortet. Zutreffend dürfte eine Anrechnung jedoch abzulehnen sein.[68] Der Gesetzgeber hat ausdrücklich eine Anrechnung nur auf die Verfahrensgebühren aus Teil 3 VV vorgesehen. In Anbetracht dessen, dass dem Gesetzgeber das Problem bekannt ist und er trotz der umfassenden Änderung der Anrechnungsvorschriften durch das 2. KostRMoG keine Veranlassung gesehen hat, eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühren nach Teil 4 VV anzuordnen, kann von einer Regelungslücke nicht (mehr) ausgegangen werden. Dafür spricht insbesondere, dass er jetzt ausdrücklich in Vorbem. 2.3 Abs. 5 VV erstmals eine Anrechnung auf Gebühren nach Teil 6 VV eingeführt hat, eine Anrechnung auf die Gebühren nach Teil 4 VV aber nach wie vor nicht anordnet.

 

Beispiel 71: Adhäsionsverfahren

Im Strafverfahren macht der Verletzte einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 3.000,00 EUR geltend. Es kommt zur Hauptverhandlung, in der der Angeklagte auch zur Zahlung des Schmerzensgeldes verurteilt wird.

Jetzt entsteht neben den sonstigen Gebühren eine 2,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV aus dem Wert der geltend gemachten Ansprüche.

 
I. Verfahren vor dem Amtsgericht
1. Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV   181,50 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 4108 VV   302,50 EUR
3. 2,0-Verfahrensgebühr, Nr. 4143 VV   444,00 EUR
  (Wert: 3.000,00 EUR)    
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 948,00 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   180,12 EUR
Gesamt   1.128,12 EUR
II. Verfahren vor der Strafkammer oder Jugendkammer
1. Verfahrensgebühr, Nr. 4112 VV   203,50 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 4114 VV   352,00 EUR
3. 2,0-Verfahrensgebühr, Nr. 4143 VV   444,00 EUR
  (Wert: 3.000,00 EUR)    
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.019,50 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   193,71 EUR
Gesamt   1.213,21 EUR
III. Verfahren vor dem OLG, dem Schwurgericht oder der Strafkammer nach §§ 74a und 74c GVG oder der Jugendkammer nach Anm. zu Nr. 4118 VV
1. Verfahrensgebühr, Nr. 4118 VV   434,50 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 4120 VV   583,00 EUR
3. 2,0-Verfahrensgebühr, Nr. 4143 VV   444,00 EUR
  (Wert: 3.000,00 EUR)    
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.481,50 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   281,49EUR
Gesamt   1.762,99 EUR
 

Rz. 130

Lehnt es das Gericht ab, über die zivilrechtlichen Ansprüche zu entscheiden, ist dagegen die Beschwerde nach § 406a StPO gegeben. Insoweit handelt es sich um eine gesonderte Angelegenheit, da hier gesonderte Gebührentatbestände vorgesehen sind (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10a RVG).

 

Beispiel 72: Beschwerde gegen die Ablehnung, im Adhäsionsverfahren zu entscheiden

Im Strafverfahren macht der Nebenkläger einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 3.000,00 EUR geltend. Das Gericht erlässt gem. § 406 Abs. 5 S. 2 StPO einen Beschluss, wonach es über die Ansprüche nicht entscheiden werde. Hiergegen legt der Nebenkläger nach § 406a StPO Beschwerde ein.

Das Beschwerdeverfahren ist jetzt ausnahmsweise eine besondere Angelegenheit. Der Anwalt erhält eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 4145 VV aus dem Wert der Gegenstände, über die es das Gericht abgelehnt hat, zu entscheiden.

Neben der Vergütung für das gerichtliche Verfahren erhält der Anwalt für die Beschwerde eine gesonderte Vergütung.

 
1. 0,5-Verfahrensgebühr, Nr. 4145 VV   111,00 EUR
  (Wert: 3.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 131,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   24,89 EUR
Gesamt   155,89 EUR
 

Rz. 131

 

Beispiel 73: Anrechnung im nachfolgenden Zivilrechtsstreit

Nachdem das Gericht über den Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 3.000,00 EUR nicht entschieden hat, klagt der Nebenkläger seinen Anspruch anschließend vor dem Zivilgericht ein.

Zur Abrechnung im Strafverfahren siehe Beispiel 71. Dass es nicht zur Entscheidung gekommen ist, ist für die Gebühr nach Nr. 4143 VV unerheblich.

Im Zivilprozess entstehen die Gebühren nach den Nrn. 3100 ff. VV. Die Verfahrensgebühr der Nr. 4143 VV ist zu einem Drittel anzurechnen (Anm. Abs. 2 zu Nr. 4143 VV).

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   288,60 EUR
  (Wert: 3.000,00 EUR)    
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   266,40 EUR
  (Wert: 3.000,00 EUR)    
3.

anzurechnen gem. Anm. Abs. 3 zu Nr. 4143 VV

(1/3 x 444,00 EUR)
  – 148,00 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 427,00 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   81,13 EUR
Gesamt   ...

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