Rz. 223

§ 5 BetrAVG schränkt in zweifacher Weise, nämlich durch das in § 5 Abs. 1 BetrAVG normierte Auszehrungsverbot und das nach § 5 Abs. 2 BetrAVG bestehende Anrechnungsverbot, die Vertragsfreiheit der Parteien ein.

 

Rz. 224

Das gesetzliche Auszehrungs- und Anrechnungsverbot bezieht sich ausdrücklich nur auf den Zeitpunkt der erstmaligen Festsetzung der betrieblichen Versorgungsleistung und auf deren Bestand nach Eintritt des Versorgungsfalles. Damit sind die Verbotsnormen nicht in der Anwartschaftsphase zu berücksichtigen, sodass aufgrund entsprechend vereinbarter Anrechnungs- und Limitierungsklauseln bei Rentenbeginn eine "Nullleistung" erzielt werden kann, d.h. ein Rentenanspruch erst gar nicht entsteht (LAG Hamm, 23.11.1977 – 11 Sa 953/77, DB 1978, 304 = BetrAV 1978, 63; LAG Düsseldorf v. 7.5.1980 – 16 Sa 29/80, DB 1980, 2090).

1. Inhalt und Umfang des gesetzlichen Auszehrungsverbotes

 

Rz. 225

Nach § 5 Abs. 1 BetrAVG dürfen die bei Eintritt des Versorgungsfalls festgesetzten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht mehr dadurch gemindert oder entzogen werden, dass sich anderweitige Versorgungsbezüge aus wirtschaftlichen Gründen erhöhen.

 

Rz. 226

Anderweitige Versorgungsleistungen sind alle gesetzlichen Versorgungsleistungen sowie betriebliche Versorgungsleistungen, die von einem anderen Arbeitgeber erbracht werden (Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, § 5 Rn 18 ff.). Im Ergebnis wird durch das Auszehrungsverbot ein Bestandsschutz hinsichtlich des betragsmäßigen Wertes der ersten Betriebsrentenzahlung erreicht.

 

Rz. 227

Das Auszehrungsverbot greift nur bei einer Erhöhung der anderweitigen Versorgungsbezüge in die wirtschaftliche Entwicklung ein. Erfasst werden hierdurch in erster Linie sämtliche Erhöhungen der Sozialversicherungsrenten aufgrund der jeweiligen Rentenanpassungsgesetze. Demgegenüber dürfen nicht aufgrund einer Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung bedingte Leistungserhöhungen, z.B. bei der Umstellung von einer Berufs- auf eine Erwerbsunfähigkeits- oder Altersrente ohne Verstoß gegen das betriebsrentenrechtliche Auszehrungsverbot leistungsmindernd berücksichtigt werden.

 

Rz. 228

Soweit die Vertragsparteien eine gegen § 5 Abs. 1 BetrAVG verstoßende Auszehrungsklausel vereinbaren, ist diese nach § 134 BGB nichtig.

2. Inhalt und Umfang des gesetzlichen Anrechnungsverbots

 

Rz. 229

Gem. § 5 Abs. 2 BetrAVG dürfen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung durch eine Anrechnung oder Berücksichtigung anderer Versorgungsbezüge, soweit diese auf eigenen Beiträgen des Versorgungsberechtigten beruhen, nicht gekürzt werden. Damit soll erreicht werden, dass sich der Arbeitgeber nicht durch eine Eigenvorsorge des Arbeitnehmers seiner Versorgungsverpflichtung entledigen kann (so bereits BAG v. 26.10.1973 – 3 AZR 377/72, BB 1974, 696 = DB 1974, 294; vgl. auch Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, § 5 Rn 47).

 

Rz. 230

Voraussetzung für eine zulässige Anrechnung anderweitiger Versorgungsbezüge ist zunächst einmal eine entsprechende ausdrückliche, eindeutige und unmissverständliche Anrechnungsklausel in der individual- oder kollektivrechtlich vereinbarten Versorgungszusage.

 

Rz. 231

Muster 35.1: Anrechnungsklausel

 

Muster 35.1: Anrechnungsklausel

1. Soweit sich Versorgungsempfänger (ehemalige Mitarbeiter) durch das Eingehen von Dienstverhältnissen oder durch regelmäßige geschäftliche oder berufliche Tätigkeit vor Erreichen der Altersgrenze bzw. vor Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente Einnahmen verschaffen, werden diese vom Unternehmen auf die betrieblichen Versorgungsleistungen angerechnet. Der Versorgungsberechtigte ist verpflichtet, die anzurechnenden Einkünfte eines jeden Jahres bis zum _________________________ des Folgejahres dem Unternehmen durch Vorlage entsprechender Nachweise mitzuteilen.
2. Ist die Invalidität oder der Tod eines Mitarbeiters auf das schadensersatzpflichtige Verhalten eines Dritten zurückzuführen, so werden die dem Mitarbeiter oder seinen Hinterbliebenen zustehenden Schadensersatzansprüche auf die betrieblichen Versorgungsleistungen angerechnet. Der Mitarbeiter kann die Anrechnung vermeiden, wenn er die Ersatzansprüche an das Unternehmen abtritt.
3.

Auf die Versorgungsleistungen werden Leistungen einer befreienden Lebensversicherung angerechnet, wenn die Beiträge hierzu mindestens zur Hälfte vom Arbeitgeber mitfinanziert worden sind. Dabei werden Kapitalleistungen nach den im jeweiligen Zeitpunkt geltenden versicherungsmathematischen Grundlagen mit einem Rechnungszins von derzeit 6 % – Richttafeln Klaus Heubeck – in eine Versorgungsrente umgerechnet.

oder:

Auf die Leistungen nach dieser Versorgungszusage werden keine anderweitigen Leistungen angerechnet. Dieser Anrechnungsausschluss gilt insbesondere für Leistungen der deutschen oder einer ausländischen gesetzlichen Rentenversicherung. Soweit der Versorgungsberechtigte betriebliche Versorgungsleistungen aus einem früheren Arbeitsverhältnis erhält, bleiben diese ebenfalls unberücksichtigt.

 

Rz. 232

Fehlt eine solche Anrechnungsklausel, ist die Anrechnung auch nicht zulässig. § 5 Abs. 2 BetrAVG enthält insoweit kein gesetzliches Anrechnungsrecht, sondern...

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