Rz. 11

In die Mediation kamen fünf Geschwister:

Der jüngste Bruder, 35 Jahre alt, drei Schwestern mit 37, 40, 53 Jahren und der älteste Bruder mit 55 Jahren.

Der Vater der Geschwister war wenige Monate zuvor gestorben. Er hatte ein Testament hinterlassen, das den ältesten Sohn zum Alleinerben bestimmte. Das Testament war bereits vor zehn Jahren zusammen mit der Witwe, Mutter der fünf Geschwister, erstellt worden.

Das Testament regelte, dass der älteste Sohn die GmbH, einen großen Schreinereibetrieb mit Fertigungshalle, und das auf dem Firmengelände stehende Drei-Familien-Haus zu Alleineigentum erhalten sollte, Pflichtteile an die Geschwister sollten nicht geschuldet sein, die Mutter von ihm gepflegt und versorgt werden.

Über dieses Testament hatte es zwischen den Geschwistern sehr viel Streit gegeben, unter dem vor allem die 78-jährige Mutter litt.

Die Motivation der Konfliktparteien für ein Mediationsverfahren war der Wunsch aller Beteiligten, mit der Mutter Frieden zu finden. Diese hatte deutlich signalisiert, dass sie jede Lösung, die alle Geschwister einvernehmlich finden würden, akzeptieren wolle. Voraussetzung für ihre Zustimmung war nur ein gesichertes Einkommen für sie selbst.

Bei der Sachverhaltsaufklärung – jeder der Beteiligten fertigte einen Lebenslauf – wurde klar, dass der älteste Sohn bereits mit 15 Jahren seine Arbeit in der Schreinerei des Vaters begonnen hatte. Er hatte sogar die Studien der drei jüngeren Geschwister alleine finanziert. Der Vater war aus Krankheitsgründen sehr früh aus dem Betrieb ausgeschieden, ohne dem Sohn allerdings die Firma zu übertragen. Auch die Betriebshallen und das Haus waren unter maßgeblicher wirtschaftlicher Beteiligung des ältesten Sohnes erstellt worden.

Die Wertermittlung des gesamten Nachlasses, die in der Mediation ebenfalls im Rahmen der Sachverhaltsermittlung eingeholt worden war, machte deutlich, dass selbst eine Pflichtteilsauszahlung vom Erben an die Geschwister kaum zu finanzieren war.

Obwohl den Geschwistern die jeweiligen Lebensläufe natürlich bekannt waren, auch wer und wann welche Ausbildung erfahren hatte, wurde ihnen erst in der Mediation bewusst, welche tatsächliche Rolle der älteste Bruder gespielt hatte. Damit wurde deutlich, dass das Testament des Vaters eigentlich doch "gerecht" war.

Folgende Lösung wurde vereinbart, von den jeweiligen Rechtsanwälten begutachtet und notariell beurkundet in einem Erbvertrag mit der Mutter, die ebenfalls anwaltlich beraten war:

Der älteste Bruder wurde Alleingesellschafter der Schreinerei GmbH ohne Ausgleichszahlung.
Das Drei-Familien-Haus wurde in drei Eigentumswohnungen umgewandelt.
Der älteste Sohn erhielt die Wohnung, in welcher er bereits mit seiner Familie wohnte, ohne Ausgleichszahlung zu Alleineigentum.
Die beiden anderen Wohnungen wurden zu je 1/5 auf alle Geschwister übertragen.
Es wurde weiter vereinbart, dass der älteste Sohn weiterhin die Mutter aus dem Schreinereibetrieb versorgte. Für den Heimpflegefall sollten zunächst die beiden Eigentumswohnungen, die allen gehörten, veräußert werden, wobei der älteste Sohn ein Vorkaufsrecht erhielt.

Mit dieser Lösung waren die Bedürfnisse aller Beteiligten befriedigt. Die Familie blieb als Großfamilie erhalten und die Verteilung des Nachlasses entsprach der Lebensrealität.

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