Rz. 9

In die Mediation kamen zwei Geschwister, Frau M., 45 Jahre alt und Herr M., 47 Jahre alt.

Frau M. hatte die gemeinsame Mutter bis zu deren Tod gepflegt, nachdem der Vater bereits Jahre zuvor gestorben war. Sie hatte für die Pflege ihrer Mutter von dieser Geldgeschenke erhalten, von denen sie ihrem Bruder berichtet hatte.

Das Testament der Mutter bestimmte ihre Tochter zur Alleinerbin des Nachlasses. Ihr Sohn sollte nur den ihm zustehenden Pflichtteil erhalten.

Der Nachlass bestand überwiegend aus einem lastenfreien Grundstück mit einem Zweifamilienhaus in bester Lage, in dem die Erblasserin zuletzt mit ihrer Tochter gewohnt hatte.

Frau M. war alleinstehend, Herr M. verheiratet und Vater von fünf heranwachsenden Kindern. Mit seiner Familie lebte Herr M. etwa 400 km weit von dem Elternhaus entfernt.

Herr M. war sehr enttäuscht über die Entscheidung seiner Mutter, ihn am Vermögen, das auch noch vom verstorbenen Vater stammte, nur im Rahmen von Pflichtteilsansprüchen zu bedenken. Er hatte der Mutter zu deren Lebzeiten angeboten, zu ihm und seiner Familie umzusiedeln, auch er hätte sie gerne bei sich gehabt. Die Mutter wäre keine Last gewesen.

Herr M. verstand und akzeptierte dieses Testament nicht. Er signalisierte sehr deutlich, dass er sich nicht mit "Almosen" zufrieden geben würde.

Bei der Wertermittlung des Nachlasses stellte sich heraus, dass der Wert des Grundstücks so hoch war, dass selbst dann, wenn nur der Pflichtteil an Herrn M. gezahlt werden würde, das Haus veräußert werden müsste. Das wollten beide Geschwister aber nicht.

Die Parteien erarbeiteten in der Mediation folgende Lösung:

Frau M. übertrug ihrem Bruder das Alleineigentum am Grundstück. Zu ihren Gunsten wurden erstrangig ein lebenslanges Wohnrecht und der Nießbrauch am Grundstück eingetragen. Sie verpflichtete sich zur Instandhaltung und Renovierung des Hauses. Nur Instandhaltungskosten, die jährlich 40.000 EUR übersteigen würden, sollten geteilt werden.

Alle bisherigen Geldzahlungen, die die Erblasserin in den vergangenen Jahren ihrer Tochter geschenkt hatte (über 100.000 EUR) verblieben bei dieser.

Die im Haus befindliche zweite, etwas kleinere Wohnung wurde für die Familie des Herrn M. eingerichtet. Hier sollte seine Familie Ferienzeiten im Hause verbringen und später einmal eventuell studierende Kinder des Herrn. M wohnen können.

Diese Lösung hatte für beide Geschwister nur Vorteile, denn das Haus konnte erhalten werden. Da die Schwester keine eigenen Nachkommen mehr erwartete, war mit der Alleineigentümerschaft des Bruders auch geregelt, dass dessen Kinder das Haus schlussendlich erben könnten. Durch diese Lösungen konnten die Beziehungen zu den Nichten und Neffen auch in Zukunft gepflegt werden und die "Familie" erhalten bleiben.

Beiden war auch durch die jeweilige Rechtsberatung klar, dass sie in einem streitigen Fall letztlich beide nicht bekommen hätten, was sie sich tatsächlich wünschten.

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