Rz. 6

Der Begriff "Umtausch" eines Führerscheins ist in Art. 11 Abs. 1 der Dritten Führerschein-Richtlinie genannt. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift kann der Inhaber eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Führerscheins einen Antrag auf Umtausch seines Führerscheins gegen einen gleichwertigen Führerschein stellen, wenn er seinen ordentlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat begründet. Es ist Sache des ausstellenden Mitgliedstaates, zu prüfen, für welche Fahrzeugklasse der vorgelegte Führerschein tatsächlich noch gültig ist.[27]

Welche verwaltungsrechtlichen Folgen ein solcher Umtausch hat, ist in der Richtlinie nicht klar festgelegt. Wird bei einem Umtausch eine FE durch einen EU-Mitgliedstaat erteilt, muss diese grundsätzlich von den anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden. Denn durch die Fahrerlaubniserteilung wird dokumentiert, dass der Ausstellerstaat geprüft hat, ob die Voraussetzungen der Erteilung vorgelegen haben. Das führt zu einer Zäsur, sodass eine früher festgestellte Nichteignung gegen die Gültigkeit der neuen Erlaubnis nicht mehr eingewendet werden kann. Wird dagegen beim Umtausch nur ein anderes Führerscheindokument ausgegeben, kommt es darauf an, ob die früher erteilte FE noch gültig ist (siehe unten Rdn 8). Die Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung greift dann nicht.

 

Rz. 7

Hat eine Eignungsprüfung beim Umtausch stattgefunden, so ist eine neue FE erteilt worden. Die Abgrenzung von einer bloßen Dokumentenerneuerung (ohne Anerkennungsfolge) von der Erteilung einer neuen FE (mit Anerkennungsfolge) ist mitunter schwierig.

Der deutsche Gesetzgeber etwa hat Art. 11 Abs. 1 der Dritten Führerschein-Richtlinie in § 30 FeV wie auch § 30a FeV (Rückumtausch) umgesetzt. In § 30 FeV ist von der Erteilung einer FE die Rede, wenn ein Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis diese in eine deutsche umtauscht. Nach § 30a Abs. 1 S. 1 FeV bleibt bei einem Rückumtausch (deutscher Führerschein in einen ausländischen, der in einen deutschen Führerschein zurückgetauscht wird) die FE unverändert bestehen. Damit handelt es sich bei dieser besonderen Konstellation des Rückumtauschs nur um den Austausch des Dokuments.

Ein bloßer Dokumentenumtausch liegt etwa dann vor, wenn ein tschechischer Führerschein mit Eintrag eines deutschen Wohnortes in einen tschechischen Führerschein ohne Eintrag eines Wohnortes ausgetauscht wird, die Erteilungsdaten des "alten" wie des "neuen" Führerscheins aber gleich sind.[28]

Der Eintrag des Gemeinschaftscodes "70" in Feld 12 des Führerscheindokuments entsprechend den Anhängen zu den Führerschein-Richtlinien[29] kann auf einen Umtausch des Führerscheindokuments hindeuten, wobei der nachgestellte Buchstabe den Staat bezeichnet, der das ursprüngliche Dokument ausgestellt hat.[30]

In seiner neueren Rechtsprechung[31] neigt das Bundesverwaltungsgericht dazu, dass ein Umtausch eines Führerscheins in eine FE mit umfassenderer Fahrberechtigung im Sinne des im zugrundeliegenden Fall anzuwendenden Art. 8 Abs. 1 der Zweiten Führerschein-Richtlinie (Art. 11 Abs. 1 der Dritten Führerschein-Richtlinie) als Erteilung einer FE anzusehen ist. Ein solcher Umtausch setzt voraus, dass der Inhaber eines von einem Mitgliedstaat der EU ausgestellten Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat begründet hat. Dann kann der Mitgliedstaat einen "gleichwertigen" Führerschein, eben kein identisches Dokument, ausstellen. Die dabei erfolgende Äquivalenzprüfung rechtfertigt die Annahme einer Fahrerlaubniserteilung, die den Grund für die gegenseitige Anerkennung darstelle. Davon ist die in Art. 8 Abs. 5 der Zweiten Führerschein-Richtlinie (Art. 11 Abs. 5 der Dritten Führerschein-Richtlinie) geregelte Ersetzung zu unterscheiden, die nach einem Dokumentenverlust greift.[32] Jedenfalls der Code "71",[33] der eine Dokumentenersetzung bezeichnet, belegt, dass keine Prüfung der Erteilungsvoraussetzungen stattgefunden hat.

Selbst wenn nur eine eingeschränkte Fahreignungs- und/oder Befähigungsprüfung erfolgt, wird eine neue FE erteilt.[34] Das gilt auch, wenn ein – gefälschter – philippinischer Führerschein in einen ungarischen Führerschein umgetauscht wird[35] (siehe dazu jetzt § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 7 FeV).

[27] Zu den Äquivalenzen siehe Beschl. der Kommission v. 20.3.2014 über Äquivalenzen zwischen Führerscheinklassen (ABl L 120 v. 23.4.2014, S. 1).
[28] VGH BW v. 27.10.2009, zfs 2010, 58.
[29] Richtlinie 91/4397EWG: Anhang Ia, Richtlinie 2006/126/EG: Anhang I.
[30] Vgl. BayVGH v. 18.8.2010, SVR 2011, 268 mit Anmerkung Koehl; BayVGH, Beschl. v. 10.12.2013 – 11 CS 13.2166, NJW 2014, 1547 unter Hinweis auf S. 33 der Anlage 1 zur Dritten Führerschein-Richtlinie; allerdings zweifelhaft mit Blick auf BVerwG, Urt. v. 27.9.2012 – 3 C 34/11, BVerwGE 144, 220 = NJW 2013, 487: Umtausch als Fahrerlaubniserteilung; anders: BayVGH, Beschl. v. 3.5.2011 – 11 C 10.2938 u.a., DAR 2011, 425.
[31] BVerwG, Urt. v. 27.9.2012 – 3 C 34/11, BVerwGE 144, 220 = NJW 2013, 487. Die Fallgestaltung weist insofern eine Besonder...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge