Rz. 31

Nach § 109 GewO haben alle Arbeitnehmer einen unabdingbaren Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses. Für alle übrigen Arbeitnehmer und Dienstberechtigten ergibt sich der Anspruch aus § 630 BGB. Für Ausbildungsverhältnisse gilt § 16 BBiG.

 

Rz. 32

Grds. sind Arbeitspapiere, zu denen auch das Arbeitszeugnis zählt, vom Arbeitnehmer abzuholen. Ist ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen, insb. der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen, so hat die Leistung am Wohnsitz des Schuldners zu erfolgen (§ 269 Abs. 1 BGB); an die Stelle des Wohnsitzes tritt, wenn der Schuldner seine gewerbliche Niederlassung an einem anderen Ort hat, der Gewerbebetrieb des Schuldners, wenn die Verbindlichkeit in seinem Gewerbebetrieb entstanden ist (§ 269 Abs. 2 BGB). In aller Regel ist es einem Arbeitnehmer zuzumuten, das Zeugnis beim Arbeitgeber selbst abzuholen oder durch einen Bevollmächtigten abholen zu lassen (BAG v. 8.3.1995 – 5 AZR 848/93, NZA 1995, 671). Wird es aber bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht bereitgehalten, hat es der Arbeitgeber auf seine Kosten und seine Gefahr an den Arbeitnehmer zu übersenden, vgl. ArbRHB/Linck, § 147 Rn 15.

I. Zeugnisarten

 

Rz. 33

§ 109 Abs. 1 S. 1 GewO bestimmt hinsichtlich des Zeitpunkts der Zeugniserteilung, dass der Arbeitnehmer "bei" Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis hat, und weiter, dass das Arbeitszeugnis Angaben zu "Art und Dauer der Tätigkeit" enthalten muss (§ 109 Abs. 1 S. 2 GewO). Das Ausbildungszeugnis, welches der Ausbildende dem Auszubildenden bei Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses auch ohne Verlangen zu erstellen hat (§ 16 Abs. 1 S. 1 BBiG), muss ferner Angaben über das Ziel der Berufsausbildung enthalten (§ 16 Abs. 2 S. 1 BBiG). Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben im Zeugnis auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis "erstrecken" (§ 109 Abs. 1 S. 3 GewO), sog. qualifiziertes Zeugnis. Auf Verlangen des Auszubildenden sind im qualifizierten Ausbildungszeugnis darüber hinaus Angaben über seine besonderen fachlichen Fähigkeiten aufzunehmen (§ 16 Abs. 2 S. 2 BBiG).

1. Einfaches Zeugnis

 

Rz. 34

Das sog. einfache Zeugnis ist stets schriftlich auf Firmenbogen mit Angaben zum Arbeitgeber abzufassen, muss "Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit … enthalten", wie es in der Legaldefinition des § 109 Abs. 1 S. 2 GewO heißt. Der Arbeitnehmer, welcher ein einfaches Zeugnis verlangt, kann vom Arbeitgeber nicht darauf verwiesen werden, dass dieser ihm ggf. schon eine Arbeitsbescheinigung ausgestellt hat. Die Arbeitsbescheinigung nach § 312 Abs. 1 SGB III erfüllt eine andere Funktion als das einfache Zeugnis.

 

Rz. 35

Aus dem einfachen Zeugnis müssen die Angaben zur Person des Beschäftigten mit Namen, Vornamen, akademischen Graden und Berufen zweifelsfrei hervorgehen. Anschrift und Geburtsdatum sind nur mit seinem Einverständnis aufzunehmen. Ein- und Austrittsdaten sind genau anzugeben und die Art der Beschäftigung bzw. des Aufgabengebietes genau zu beschreiben. Das einfache Zeugnis muss auf dem Firmenbogen mit Namen und Anschrift des Arbeitgebers geschrieben, mit "Zeugnis" überschrieben und mit Ort, Ausstellungsdatum und Unterschrift unterzeichnet sein.

 

Rz. 36

Muster 32.1: Einfaches Zeugnis für eine Angestellte

 

Muster 32.1: Einfaches Zeugnis für eine Angestellte

Fa. _________________________

Zeugnis

Frau _________________________, geb. am _________________________ in _________________________, stand in der Zeit vom _________________________ bis _________________________ in unseren Diensten. Sie erledigte die gesamte Korrespondenz und schrieb die Auftragsbestätigungen und Rechnungen für unseren Betrieb.

Ort, Datum

Unterschrift Arbeitgeber

2. Qualifiziertes Zeugnis

 

Rz. 37

Ein ordnungsgemäßes qualifiziertes Arbeitszeugnis muss sich nach dem Gesetz über die folgenden vier Punkte verhalten, nämlich über

die Dauer des Arbeitsverhältnisses,
die Art des Arbeitsverhältnisses,
die Leistungen des Arbeitnehmers,
das Verhalten des Arbeitnehmers.
 

Rz. 38

Das qualifizierte Zeugnis enthält demnach stets die im einfachen Zeugnis enthaltenen Angaben zu Art und Dauer der Beschäftigung sowie zusätzlich die Bewertung der Leistungen und der Führung des Arbeitnehmers im Dienst (LAG Hamm v. 27.2.1997, NZA-RR 1998, 151), oder wie es nunmehr in der Legaldefinition des § 109 Abs. 1 S. 3 GewO heißt: "… sich die Angaben … auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstrecken". Mit dem Wort "Führung", wie es vormals in § 630 S. 2 BGB a.F., § 113 Abs. 2 GewO a.F., § 73 S. 2 HGB a.F. hieß, war nicht etwa die sozialethische Führung des Arbeitnehmers zu verstehen, sondern dessen Sozialverhalten im Betrieb; dem trägt das neue Recht mit der Verwendung des Wortes "Verhalten" Rechnung (§ 109 Abs. 1 S. 3 GewO).

 

Rz. 39

Bei einem qualifizierten Zeugnis ist zunächst nach der Art der zu beurteilenden Personen zwischen Arbeits-, Dienst-, Ausbildungs- und Praktikantenzeugnis zu unterscheiden. In der Privatwirtschaft wird im Allgemeinen vom "Arbeitszeugnis" gesprochen, bei leitenden A...

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