A. Einleitung

 

Rz. 1

Die Zeiten, in denen Unternehmen nur landesweit agierten, sind bereits seit langem vorbei. Bereits viele kleine- und mittelständische Unternehmen unterhalten Auslandsvertretungen und operieren europa- oder weltweit. Nicht selten werden die Vertriebsmitarbeiter des Unternehmens im europäischen Absatzland heimisch, heiraten und gründen eine Familie. Damit ist der Grundstein für eine Auswanderung gelegt.

Des Weiteren haben sich viele Deutsche in den 70ern und 80ern des vorigen Jahrhunderts Alterswohnsitze im südeuropäischen Ausland gekauft oder gebaut und sind mit Eintritt in das Rentenalter dorthin ausgewandert.

Letztlich ist auch noch an die Einwanderungswelle im Zeitraum von 1950 bis 1979 zu erinnern, in denen viele Süd- und Südosteuropäer eine neue Heimat in Deutschland gefunden haben.

Auch nach der nunmehrigen Einführung der Europäischen Erbrechtsverordnung kommt der mit dem Erbrecht befasste Anwalt daher auch weiterhin regelmäßig mit ausländischem Erbrecht in Berührung. Sei es, dass er im Inland mit der Abwicklung eines Erbfalls befasst ist, in welchem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatte, oder aber, dass sich im Außereuropäischen Ausland Nachlassvermögen befindet, welches es, nach wie vor, unter Anwendung fremden Erbrechts abzuwickeln gilt.

Hinterlässt der Erblasser schließlich mehrere Erben, so bilden diese in aller Regel eine Erbengemeinschaft. Im Inland entsteht diese als Gesamthandsgemeinschaft. Das europäische Ausland kennt jedoch noch weitere Organisationsformen wie eine Erbengemeinschaft strukturiert sein kann.

B. Europäische Harmonisierungen

 

Rz. 2

Das deutsche Internationale Erbrecht war bis zum 17.8.2015 im Wesentlichen in den Art. 25, 26 sowie in Art. 3, 4 ff. EGBGB kodifiziert. Daneben existierten und existieren noch staatsvertragliche Regelungen, welche den nationalen Rechtsvorschriften vorgehen.[1] Am 17.8.2018 trat die Europäische Erbrechtsverordnung (Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses/EuErbVO, Verordnung (EU) 650/2012) in Kraft. Die Verordnung gilt im gesamten Bereich der Europäischen Union (Ausnahme: Irland und Dänemark).[2] Mit der Umsetzung dieser Verordnung hat sich das deutsche internationale Erbrecht stark verändert. Aus deutscher Perspektive kam es nach Einführung der EuErbVO unter anderem zu einer vollständigen Aufgabe des Staatsangehörigkeitsprinzips bei Bestimmung (Anknüpfung) des Erbstatuts gemäß Art. 25 Abs. 1 EGBGB a.F. Seit der Einführung wird es das Erbstatut nunmehr gemäß Art. 21 Abs. 1 EuErbVO nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt bestimmt.[3]

Mit großer Spannung wurde auf die künftige Veränderung im internationalen Familienrecht geblickt. Bereits im Jahre 2011 hatte die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung auf dem Gebiet des Güterrechts vorgelegt (EuGüVO).[4] Diese Verordnung wurde zum 24.6.2016 beschlossen, EU 2016/1103. Sie trat zum 29.1.2019 in Kraft. Darin enthalten sind unter anderem Regelungen über die Zuständigkeiten der Gerichte im Falle der Ehescheidung (Art. 5 Abs. 1 f. EuGüVO) oder aber Möglichkeiten der Wahl des Güterstandes der Ehegatten (Art. 22 EuGüVO). Der Europäische Verordnungsgeber ist damit einen wichtigen und im Ergebnis auch konsequenten Schritt der Harmonisierung im internationalen Familien- und Erbrecht gegangen.

[1] Kroiß, in: Bonefeld/Kroiß/Tanck, Erbprozess, § 14 Rn 3.
[2] DNotI-Report 15/2012, S. 121.
[3] AblEU L 201/120.
[4] Verordnung über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts (KOM (2011) 126 endg.

C. Bestimmung des Erbstatuts

I. Vorrang staatsvertraglicher Regelungen

 

Rz. 3

Welches Erbrecht zur Anwendung gelangt, bestimmt sich anhand der Kollisionsnormen. Diese sind für Deutschland in der EuErbVO geregelt, soweit der Erbfall nach dem 17.8.2015 lag. Für alle Erbfälle vor dem 17.8.2015 finden die Regelungen des EGBGB a.F., insbesondere in den Art. 3, 3a, 4, 25 a.F. und 26 EGBGB a.F. Anwendung. Unabhängig von diesen Regelungen des internationalen Privatrechts existieren zwischen der Bundesrepublik Deutschland und einigen Staaten Konsularverträge oder Niederlassungsabkommen. Diese bilateralen Übereinkommen genießen gemäß Art. 75 Abs. 1 EuErbVO zunächst einmal Vorrang vor den nationalen Rechtsvorschriften.[5] Voraussetzung für den Vorrang ist jedoch, dass das bilaterale Abkommen völkerrechtlich in Kraft getreten ist und in innerstaatliches Recht transformiert wurde.[6] Weiterhin werden die Vorschriften der EuErbVO sowie bei Altfällen des EGBGB a.F. nur insoweit verdrängt, als der räumliche, sachliche und zeitliche Anwendungsbereich des bilateralen Abkommens eröffnet ist.[7]

[5] Kroiß, in: Bonefeld/Kroiß/Tanck, Erbprozess, § 14 Rn 3.
[6] Grüneberg/Thorn, Art. 3 EGBGB Rn 10.
[7] MüKo/Dutta, Art. 75 EuErbVO Rn 2.

II. Bestimmung erbrechtlicher Begrifflichkeiten

 

Rz. 4

Im Nachfolgenden werden drei Grundbegriffe des international...

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