Rz. 16

Sowohl die in Abs. 1 als auch die in Abs. 2 des Art. 21 EuErbVO angeordnete Verweisung folgt dem Grundsatz der Nachlasseinheit. Dabei ist es de facto unbeachtlich, dass Abs. 2 der Norm nicht von der gesamten, sondern nur von der Rechtsnachfolge von Todes wegen spricht. Erfasst werden soll also stets der gesamte Nachlass, wo auch immer sich einzelne Nachlassteile befinden.[35] Handelt es sich bei dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Erblassers um einen Vertragsstaat der EuErbVO, so sind dessen Sachvorschriften entsprechend anzuwenden. Handelt es sich jedoch indes um einen Drittstaat, so sind Rück- und Weiterverweisung nach Art. 34 Abs. 1 EuErbVO beachtlich.[36]

 

Rz. 17

Exkurs: Zuständiges Gericht gemäß Art. 4 EuErbVO

Sofern sich das Erbstatut anhand des Art. 21 EuErbVO bestimmt, so geht damit gleichzeitig die Zuständigkeit des Gerichts gemäß Art. 4 EuErbVO einher. Dieser regelt, dass für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sind, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser, freilich im Zeitpunkt seines Todes, seinen gewöhnlichen Aufenthalt innehatte. Mit Art. 4 EuErbVO wird dem Prinzip der Nachlasseinheit ausdrücklich Rechnung getragen.[37] Dabei wird in Art. 4 EuErbVO ausdrücklich nicht von streitigen und nichtstreitigen Erbsachen unterscheiden. Gewünscht ist eine Zuständigkeitskonzentration für sämtliche Erbsachen.[38] Nach Auffassung des EUGH in der Rechtssache Oberle C-20/17 vom 21.6.2018[39] ist diese Konzentration umfassend und soll auch die Zuständigkeit für die Erteilung nationaler Zeugnisse, wie zum Beispiel einen Erbschein durch ein ausländisches Gericht, umfassen.[40] In der notariellen Praxis wird diese Entscheidung teilweise scharf kritisiert.[41] Denn im Ergebnis bedeutet dies nichts anderes, als dass es der nationalen Erteilung von Erbzeugnissen wie dem Erbschein oder einem Testamentsvollstreckerzeugnis[42] durch das nationale Amtsgericht (Nachlassgericht) entgegensteht, wenn ein Mitgliedstaat zuständiges Gericht i.S.d. Art. 4 EuErbVO ist.[43] Dies gilt auch dann, wenn sich sämtliche Erben sowie der Gesamtnachlass im Inland befinden und nur der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt gem. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO im Ausland hatte.

[35] MüKo/Dutta, Art. 21 EuErbVO Rn 9.
[36] Zimmermann/Grau, Praxiskommentar Erbrechtliche Nebengesetze, EuErbVO Rn 172.
[37] Lagarde, Rev. crit. dr. int. Pr. 101 (2012), 691 (696).
[38] Ratsdokument Nr. 8228/10 S. 7 Fn. 2.
[39] FamRZ 2018, 1262; NJW 2018, 2309.
[40] Streitstand umfangreich dargestellt in: MüKo/Dutta, Vor Art. 4 EuErbVO Rn 5.
[41] Vgl. hierzu: auch Dörner, DNotZ 2018, 661 (683); Wagner, NJW 2018, 3284 (3286); Leitzen, ZEV 2018, 630 (631); Weber, RNotZ 2018, 454 (458)).
[42] Vgl. Link, BWNotZ 2018, 68 (70 f.).
[43] BeckOK/Hahne/Schlögel/Schlünder, FamFG § 343 Rn 1b ff. mit Auflistung der kritischen Stimmen.

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