1. Allgemeines

 

Rz. 663

Von ihrer Konzeption her ist die Erbengemeinschaft nicht auf Dauer angelegt. Vielmehr geht das Gesetz davon aus, dass das Ziel der Erbengemeinschaft ihre Beendigung sei. Diese erfolgt regelmäßig durch die Aufteilung der nach dem Ausgleich der Erblasser- und Erbfallschulden (§ 1967 Abs. 2 BGB) noch verbleibenden Vermögenswerte (Auseinandersetzung). Soweit der Erblasser ein Testament hinterlassen hat, sind seine Anordnungen (Vermächtnisse, Auflagen, Teilungsanordnungen) bei der Durchführung der Aufteilung zu beachten. Oftmals sind Geldzahlungen unter den Erben erforderlich, um Wertunterschiede zwischen den einzelnen Nachlassgegenständen auszugleichen.

 

Rz. 664

Aus ertragsteuerlicher Sicht bereiten das Konzept der Gesamtrechtsnachfolge sowie die zivilrechtlichen Regelungen hinsichtlich der Erbauseinandersetzung einige Schwierigkeiten, deren Lösung aus Sicht der Finanzverwaltung dem so genannten Erbteilungserlass,[1065] zugrunde zu legen ist. Demnach ergibt sich folgende Situation:

 

Rz. 665

In Betracht kommen die Realteilung des Nachlasses, und zwar sowohl ohne als auch mit Abfindungszahlungen, die Veräußerung des Nachlasses zum Zweck der Teilung, die Veräußerung des Erbteils sowie das Ausscheiden einzelner Miterben aus der Gemeinschaft. Da die beiden letztgenannten Alternativen im Normalfall nicht das Regelungsziel darstellen, das der Erblasser bei Errichtung seines Testaments verfolgt, konzentriert sich die nachfolgende Darstellung auf die Realteilung und die Veräußerung des Nachlasses.

2. Die (reine) Realteilung

a) Grundsätzliches

 

Rz. 666

Rein begrifflich ist nach h.M. jede Auseinandersetzung über das Vermögen einer Gesamthand eine Realteilung.[1066] Von der Sachwertabfindung unterscheidet sie sich dadurch, dass im Rahmen der Realteilung der Betrieb der Mitunternehmerschaft (durch diese) aufgegeben werden muss, während er bei der Sachwertabfindung grundsätzlich in der Hand der Gesamthand fortbesteht.[1067]

[1066] BFH v. 19.1.1982 – VIII R 21/77, BStBl II 1982, 456; Schmidt/Wacker, EStG, § 16 Rn 530.
[1067] Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 16 Rn 11, 15; Schmidt/Wacker, EStG, § 16 Rn 531; vgl. zur sog. "unechten Betriebsaufspaltung" BMF v. 19.12.2018, BStBl I 2019, 6, Tz. 2.

b) Privatvermögen

 

Rz. 667

Kommt es im Rahmen der Erbauseinandersetzung über Privatvermögen zu einer realen Teilung des Nachlasses ohne die Leistung irgendwelcher Ausgleichszahlungen, ist dieser Vorgang insgesamt als einkommensteuerneutral zu betrachten.[1068] Das gilt selbst dann, wenn einzelne Wirtschaftsgüter nach §§ 17, 23 EStG oder nach § 21 UmwStG steuerverhaftet sein sollten. § 16 Abs. 2 EStG ist allein schon mangels Realteilung einer Mitunternehmerschaft nicht einschlägig.[1069]

[1069] Schmidt/Wacker, EStG, § 16 Rn 625.

c) Betriebsvermögen

 

Rz. 668

Bei der Realteilung eines Nachlasses, der ausschließlich aus Betriebsvermögen besteht, kann eine Steuerpflicht zunächst dadurch vermieden werden, dass die Miterben nicht einzelne Wirtschaftsgüter erhalten, sondern ihnen stattdessen (lebensfähige) Teilbetriebe oder Mitunternehmeranteile zugewiesenen werden. In diesen Fällen greift nämlich die in § 6 Abs. 3 EStG vorgesehene Buchwertfortführung.[1070]

 

Rz. 669

Wird das Betriebsvermögen in der Weise aufgeteilt, dass die Miterben einzelne Wirtschaftsgüter erhalten, ist § 16 Abs. 3 EStG grundsätzlich anwendbar, da hier in der Regel eine Betriebsaufgabe durch die Entnahme sämtlicher Wirtschaftsgüter vorliegt.

 

Beispiel

A und B sind Miterben zu ½. Zum Nachlass gehört ein Betriebsvermögen, das lediglich aus zwei Grundstücken besteht, die beide einen Buchwert von 200.000 EUR und einen Verkehrswert von 2 Mio. EUR haben. A und B setzen sich unter Aufgabe des Betriebs in der Weise auseinander, dass A das Grundstück 1 und B das Grundstück 2 erhält.[1071]

Lösung

Durch die Betriebsaufgabe entsteht ein Aufgabegewinn von 3,6 Mio. EUR in der Erbengemeinschaft, den A und B je zur Hälfte zu versteuern haben.

 

Rz. 670

Gemäß § 16 Abs. 3 Sätze 2 bis 4 kommt eine steuerneutrale Übertragung dann in Betracht, wenn die Wirtschaftsgüter beim Übernehmer Betriebsvermögen bleiben.

 

Beispiel

S und T sind Miterben zu je ½. Zum Nachlass gehören zwei Betriebe im Wert von je 1 Mio. EUR. S erhält Betrieb 1, T erhält Betrieb 2.[1072]

Lösung

In dieser Konstellation liegt keine Betriebsaufgabe vor. Jeder der beiden Betriebe bleibt auch nach der Realteilung der Erbengemeinschaft bestehen und wird in dieser unveränderten Form auf den jeweiligen Miterben übertragen. Die Buchwerte sind für die beiden Betriebe fortzuführen (§ 16 Abs. 3 S. 2 bis 4 EStG).

 

Rz. 671

Allerdings ist rückwirkend der gemeine Wert (= Teilwert) anzusetzen, wenn es binnen einer Sperrfrist von drei Jahren zu einer Veräußerung oder Entnahme der übernommenen Wirtschaftsgüter kommt. Die Sperrfrist endet drei Jahre nach Abgabe der Steuerklärung der Mitunternehmerschaft (= Erbengemeinschaft) für den Veranlagungszeitraum der Realteilung. Auch die – im Rahmen der Erbauseinandersetzung aber wohl eher unbedeu...

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