Rz. 729

Oftmals hat der Erblasser den nachvollziehbaren Wunsch, eine Zersplitterung seines Vermögens möglichst zu verhindern. In diesen Fällen lässt sich eine Absicherung der nicht in die Eigentümerstellung nachrückenden Angehörigen z.B. durch die vermächtnisweise Zuwendung von Nutzungsrechten erreichen.

Gerade als Alternative zum Berliner Testament wird in diesem Zusammenhang oftmals die so genannte Nießbrauchslösung favorisiert. Hier werden von jedem Elternteil unmittelbar die Abkömmlinge zu Erben berufen. Die Absicherung des überlebenden Ehegatten geschieht durch (mehr oder weniger umfassende) Nießbrauchsvermächtnisse. Dies kann aber im Einzelfall mit einkommensteuerrechtlichen Risiken bzw. Nachteilen behaftet sein:

 

Rz. 730

Soll der Nießbrauch an einem Gegenstand des Betriebsvermögens bestellt werden, kann dies eine Entnahme des betroffenen Gegenstandes nach sich ziehen, wenn der Nießbraucher wirtschaftlicher Eigentümer wird.[1122]

 

Rz. 731

Im Bereich des Privatvermögens sind einkommensteuerrechtlich relevante Gewinnrealisierungen aufgrund der Nießbrauchsbestellung nicht zu befürchten. Insbesondere fällt die Nießbrauchsbestellung nicht unter § 23 EStG. Allerdings bestehen Probleme im Bereich der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG):

 

Rz. 732

Der Vermächtnisnießbrauch wird seitens der Finanzverwaltung genauso behandelt wie ein unentgeltlich bestellter Zuwendungsnießbrauch. Dementsprechend ist der Nießbraucher nicht berechtigt, die Gebäude-AfA für das vom Erblasser hinterlassene Gebäude in Anspruch zu nehmen.[1123] Eine Geltendmachung der AfA beim Erben kommt ebenfalls nicht in Betracht, da dieser keine Vermietungseinkünfte erzielt.

 

Rz. 733

Um wenigstens die Möglichkeit der steuerlichen Geltendmachung der übrigen Werbungskosten zu gewährleisten, muss durch entsprechende Anordnungen im Testament sichergestellt werden, dass – abweichend von der gesetzlichen Regelung – sämtliche (also sowohl die ordentlichen als auch die außerordentlichen) Erhaltungsaufwendungen durch den Nießbraucher getragen werden. Fehlt eine solche Anordnung, kann der Nießbraucher, selbst wenn er überobligatorische Aufwendungen getragen hat, diese nicht abziehen, weil insoweit Drittaufwand vorliegt. Ein Abzug beim Erben kommt mangels Vermietungseinkünften ohnehin nicht in Betracht.

 

Rz. 734

Diese einkommensteuerrechtlichen Nachteile werden in vielen Fällen nicht so schwer wiegen, dass die Nießbrauchsgestaltung insgesamt uninteressant wird, der Erblasser sollte sich aber dennoch über die möglichen Folgen seiner Gestaltung im Klaren sein.

[1122] Schmidt/Loschelder, EStG, § 4 Rn 270.

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