Rz. 32
Die Große Kammer des EGMR besteht aus 17 Richtern.[154] Ihre Zuständigkeit kann auf dreierlei Wegen begründet werden.
(1) Abgabe eines Verfahrens durch eine Kammer: Die Kammer kann gem. Art. 30 EMRK die Sache jederzeit bis zum Urteil abgeben, wenn eine Rechtssache schwerwiegende Fragen der Auslegung der Konvention oder der Protokolle aufwirft oder wenn ihre Entscheidung zu einer Abweichung von einem früheren Urteil führen kann. Dies dient der Wahrung einheitlicher Rechtsprechung. Die Kammer teilt die Absicht der Abgabe den Parteien mit. Diese können innerhalb eines Monats Einwendungen erheben; nicht begründete oder verspätete Einwendungen sind gem. Art. 72 Abs. 2 und 4 VerfO unwirksam.
(2) Große Kammer als eine Art Rechtsbehelfsinstanz:[155] Gemäß Art. 43 Abs. 1 EMRK kann ein Beschwerdeführer innerhalb von drei Monaten nach einer Kammerentscheidung die Verweisung der Sache an die Große Kammer bei der Kanzlei des Gerichts beantragen. Der schriftliche Verweisungsantrag der Partei muss die Zugangsvoraussetzungen zur Großen Kammer im Einzelnen begründen (Art. 73 Abs. 1 VerfO). Über den Verweisungsantrag entscheidet ein fünfköpfiger Ausschuss (Art. 73 Abs. 2 VerfO). Wird der Verweisungsantrag positiv beschieden, entscheidet die Große Kammer durch Urteil und auf Grundlage einer mündlichen Verhandlung (Art. 43 Abs. 3 EMRK).[156] Eine Verweisung an die Große Kammer nach Art. 43 Abs. 1 EMRK erfolgt nur im Ausnahmefall.[157]
(3) Schließlich ist die Große Kammer für das Verfahren wegen der Nichtbefolgung eines Urteils (Art. 31 lit. c, 46 Abs. 4 und 5 EMRK) sowie für die Erstattung von Gutachten (Art. 47 EMRK) zuständig.
Gem. Art. 71 Abs. 1 VerfO finden auf das Verfahren vor der Großen Kammer die für die Kammern geltenden Vorschriften entsprechend Anwendung.
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